Wissen

Augen senden noch Signale Blinder weicht gezielt aus

Wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, man würde es nicht glauben. Ein seit vielen Jahren blinder Mann geht über einen Flur und weicht dabei gezielt Papierkörben und einem Stativ aus, als würde er sie genau erkennen. Diese Szene ist in einem Film zu sehen, den die Forscherin Beatrice de Gelder von der niederländischen Universität Tilburg ins Internet gestellt hat.

Ihre zugehörige Untersuchung ist im Journal "Current Biology" beschrieben. "Dies ist die erste Studie, die eine solche Fähigkeit beim Menschen zeigt", erklärte de Gelder. Sie vermutet, dass es sehr alte Schaltkreise im Hirn gibt, die uns beim Funktionieren im Alltag mehr helfen als wir denken. Ein ähnlicher Fall wurde schon mal bei einem Affen beschrieben.

Sehzentrum zerstört

Das Sehzentrum im Hirn des Probanden ist nach mehreren Schlaganfällen zerstört, was mit gleich mehreren Verfahren zweifelsfrei nachgewiesen wurde. Der Mann – ein ehemaliger Arzt – ist der einzige derartige beschriebene Fall, erklärt de Gelder. Alle Tests auf Sehfähigkeit verliefen komplett negativ. In der Folge hat er keinerlei bewusstes Sehen mehr, lebt als Blinder, nutzt einen Stock und braucht Hilfe, wenn er sich in unbekanntem Gebiet orientieren muss. Die Augen indes arbeiten noch und liefern Signale ans Hirn. Solche Zustände werden als Rindenblindheit bezeichnet – das Problem liegt nicht im Auge, sondern im Hirn. Die Patienten haben noch gewisse visuelle Kapazitäten, können sie aber nicht bewusst nutzen.

Betroffene reagieren unter anderem auf die Gesichtsausdrücke anderer Menschen – das zeigt sich in der Aktivität von Hirnregionen für Angst, Wut oder Freude. Patienten können mithin visuelle Informationen aufnehmen, selbst wenn die sogenannten primären visuellen Areale ausgefallen sind. Die Forscher hatten entlang des Flures unter anderem Papierkörbe, ein Stativ, Kartons und einen Papierstapel platziert. Dann baten sie den Mann, diesen Kurs entlangzugehen, ein Helfer verfolgte ihn, um im Falle eines Stolperns zuzupacken. Aber das war nicht nötig, es gab keine Kollision. Die überraschten Zuschauer applaudierten am Ende, berichtet die Wissenschaftlerin. "Wir nutzen die ganze Zeit versteckte Ressourcen unseres Hirns und tun dabei Dinge, von denen wir denken, wir könnten sie nicht", erklärte de Gelder.

Quelle: ntv.de

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