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It's Boarding Time! Chaotisch geht es schneller

Die einen füllen das Flugzeug von hinten nach vorn, die anderen von außen nach innen. So mutig, ihre Passagiere einfach irgendwie irgendwo Platz nehmen zu lassen, sind nur wenige Fluggesellschaften. Dabei ist diese Methode eine der besten, wenn es darum geht, die Nerven der Fluggäste zu schonen und Kosten gering zu halten - sagen Forscher.

Es dauert seine Zeit, bis alle sitzen. Ein paar Minuten einzusparen, käme sowohl ungeduldigen Wartenden als auch den Fluggesellschaften zugute. Die Frage ist nur: wie?

Es dauert seine Zeit, bis alle sitzen. Ein paar Minuten einzusparen, käme sowohl ungeduldigen Wartenden als auch den Fluggesellschaften zugute. Die Frage ist nur: wie?

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Platzangebot im Innern eines Flugzeugs ist naturgemäß nicht gerade das, was man großzügig nennt – zumindest nicht in der Economy-Class. Sich aus dem Weg zu gehen, ist im Gang der Kabine schlicht unmöglich. Wer beim Einsteigen Mantel und Handgepäck verstaut, wird daher schnell zum Rempler und noch dazu zum unüberwindbaren Hindernis. Stau im Flugzeug. Ungeduldige Passagiere. Steigende Kosten für die Airline. Denn Zeit ist Geld.

Seit Jahren versuchen Wissenschaftler, das Boarding in entsprechenden Modellen zu optimieren. Dabei kommen viele von ihnen zu einem erstaunlichen Ergebnis: Je chaotischer und ungeordneter der Einstieg abläuft, umso schneller sitzen alle Fluggäste an ihrem Platz.

Jüngst zeigte sich dies in den Berechnungen zweier Physiker aus Norwegen. Vidar Frette und per Hemmer beschäftigen sich eigentlich mit Nadelöhr-Effekten auf Landstraßen. Dabei kam ihnen die Idee, ihr Modell auf den Flugzeug-Alltag zu übertragen und daran anzupassen. Die Forscher fanden heraus, dass die Zeit, die vergeht, bis alle Sitze im Flieger belegt sind, einem Potenzgesetz folgt. Schickt man also nicht nur die Passagiere mit den Sitzreihen 35 bis 45 an Board, sondern gleich doppelt so viele, dann müssen die anderen nur geringfügig länger warten. Doppelte Anzahl an Passagieren heißt nämlich nicht doppelte Wartezeit – sondern weniger. Der Grund dafür ist, so die Physiker, folgender: Ein paar Wartende in der Schlange stehen zufällig genau dort im Gang, wo sich ihr Platz befindet. Und das ist umso häufiger der Fall, je mehr Gäste im Stau stehen. Das Fazit der Forscher ist damit klar: Werden die Passagiere gruppenweise aufgerufen, dauert es unnötigerweise länger, bis alle sitzen. "Alle Passagiere völlig zufällig an Bord gehen zu lassen, ist effizienter als sie nach Sitzreihen gruppiert einsteigen zu lassen", resümiert Frette in einem Radiointerview. "Je mehr Passagiere es sind, umso größer ist der Zeitgewinn."

Praxis folgt nicht der Theorie

Erst 2008 hatte der US-amerikanische Teilchenphysiker Jason Steffen eine andere Einstiegsreihenfolge für optimal erklärt. In der Simulation schnitt bei ihm das Modell am besten ab, bei dem zwei nacheinander einsteigende Fluggäste jeweils zwei Sitzreihen voneinander entfernt platziert sind. Denn so kommen sie sich im Gang am wenigsten in die Quere. Für ein Flugzeug mit 20 Reihen ließ Steffen daher zunächst zehn Passagiere in den Reihen 20, 18, 16 etc. einsteigen. Dann folgten zehn Passagiere der Reihen 19, 17, 15 usw. Gegenüber der ungünstigsten Methode, das Flugzeug von vorn nach hinten zu füllen, lag die Zeitersparnis mit Steffens Modell bei 80 Prozent.

Doch seine Einstiegsempfehlung klingt kompliziert, und in ihrer praktischen Umsetzung ist sie das auch. Gut, dass die Simulation noch andere Schlüsse für den Forscher bereithielt: Offenbar fahren Fluggesellschaften nämlich auch dann sehr gut, wenn sie ihre Passagiere ganz ohne System einsteigen lassen. Das, so sagte Steffen, führe zur Selbstorganisation der Fluggäste. Und die sei nur wenig ineffektiver als das effizienteste Modell. - Menschliches Verhalten, und das ist vielleicht das wichtigste Ergebnis, lässt sich eben nur schwer in eine Formel fassen.

Quelle: ntv.de, asc

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