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Urmensch vor 100 Jahren entdeckt "Den Adam gefunden"

Der Kies- und Sandgräber Daniel Hartmann war sich der Bedeutung seiner Entdeckung sofort bewusst. Als Hartmann (1854-1952) vor 100 Jahren, am 21. Oktober 1907, in Mauer bei Heidelberg zufällig einen Unterkiefer mit einigen versteinerten Zähnen fand, stürmte er aufgeregt in ein Wirtshaus. "Heute habe ich den Adam gefunden", sagte er dort und trank erst einmal ein Bier. Beim Abbau von Kies und Sand bei Mauer waren seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts immer wieder Knochen und Zähne vorzeitlicher Tiere entdeckt worden. Doch erst 1907 gelang mit dem Unterkiefer ein wahrer Jahrhundertfund.

Der fast nackt umherstreifende Mann, dessen Unterkiefer zu den bedeutenden Steinzeitfunden zählt, jagte Elefanten, Nashörner und Flusspferde. Seine größten Feinde waren Bären, Leoparden und Hyänen in den Wäldern zwischen den Flüssen Neckar und Elsenz in der Nähe der heutigen Gemeinde Mauer. Vor rund 600 000 Jahren starb der Jäger, seine Spuren in der Erdgeschichte aber verschwanden nicht völlig. 100 Jahre nach dem spektakulären Fund des Unterkiefers feiert Mauer in diesem Jahr den "Geburtstag" des Steinzeitmenschen.

Der Privatdozent Otto Schoetensack vom Paläontologischen Institut der Universität Heidelberg verfasste binnen eines Jahres nach dem Fund die Monographie "Der Unterkiefer des Homo heidelbergensis aus den Sanden von Mauer bei Heidelberg" - und verpasste dem fossilen Hominiden damit seinen noch heute gültigen Namen. Überreste dieser Hominiden wurden später auch in Südfrankreich, Nordspanien und Südengland gefunden. Die Hoffnung, in der Nähe der Gemeinde auf weitere Knochen des Urmenschen zu stoßen, erfüllte sich in den folgenden Jahrzehnten nicht.

Bis Ende November ist der Original-Unterkiefer noch in einer Sonderausstellung in Mauer zu sehen, wie Erich Mick erzählt, der Vorsitzende des Vereins Homo heidelbergensis von Mauer. Steinzeit-Fan Mick setzt sich mit Bürgermeister Jörg Albrecht außerdem für ein urgeschichtliches Hominidenzentrum in Mauer und ein neues Museum ein. "Wir dürfen nicht vergessen, dass der Homo heidelbergensis im Stammbaum des Menschen eine zentrale Stellung einnimmt", sagt Albrecht. "Er ist der gemeinsame Vorfahre der Neandertaler und von uns, den anatomisch modernen Menschen."

Als der Unterkiefer gefunden wurde, waren weltweit erst zwei weitere Urmenschentypen bekannt: Der Neandertaler (Homo neanderthalensis) aus Europa und der asiatische Homo erectus. Mehr als fünf Jahrzehnte lang galt der Kiefer als der älteste unter Europas Urmenschen-Funden. Als von 1950 an vor allem in Afrika immer mehr Hominidenfossilien gefunden wurden, bemühten sich Forscher, den ausufernden Stammbaum des Menschen zu stutzen der Homo heidelbergensis wäre dabei beinahe auf ewig dem Homo erectus zugerechnet und damit aus der Ahnenreihe entfernt worden. Später kam man allerdings überein, die Gruppe des Homo erectus nach ihrer geographischen Verbreitung zu unterteilen.

Auffallend war beim Homo heidelbergensis vor allem der Gegensatz zwischen massivem Knochenbau und fehlendem Kinn einerseits und der Ausprägung der Zähne, die derjenigen moderner Menschen glich. Verglichen mit Homo erectus hatte der Urmensch von Mauer ein höheres Gehirnvolumen, eine steilere Stirn, einen schlankeren Körperbau, zum Teil kleinere Überaugenwülste, weniger vorspringende Kiefer und kleinere Zähne. Der Homo heidelbergensis hatte auch verglichen mit dem heutigen Menschen ein größeres Gehirnvolumen sowie eine steilere Stirn. Männer wurden etwa 1,70 Meter groß, Frauen 1,60 Meter. "Zur Jagd und Verteidigung gegenüber Wildtieren benutzten die Menschen wahrscheinlich Speere aus Holz. Werkzeuge wurden aus Stein hergestellt", sagt Mick. Die als Nomaden lebenden Menschen starben meist vor ihrem 30. Geburtstag.

Von Christian Jung und Annett Klimpel, dpa

Quelle: ntv.de

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