Pygmäen kämpfen ums Überleben Der Fall der stolzen Jäger
21.05.2010, 10:38 Uhr
Ugandische Pygmäen bei einem traditionellen Tanz nach erfolglosen Affenjagd. Im Nachbarland Ruanda kämpft das Volk der Twa um sein Überleben.
(Foto: REUTERS)
Einst waren sie Jäger und Sammler, die in den Wäldern von Ruanda ein unabhängiges Leben führten - heute sind die Pygmäen vom Volk der Twa entwurzelt und vom Staat vergessen.
Ruandas Pygmäen mussten ihren traditionellen Lebensstil aufgeben, als sie aus ihren angestammten Waldgebieten vertrieben wurden. Aus den Wäldern wurden dann Naturparks. Bei den Twa sind heute mehr als 40 Prozent der Familien landlos. In Ruanda gibt es noch einige Zehntausend, die meisten leben am Rand der Gesellschaft, kämpfen mit Diskriminierung, Krankheiten und Alkoholismus.
Das Twa-Dorf Bwiza liegt im Herzen Ruandas an einem sehr steilen Abhang. Zwei von drei Kindern in dem Dorf sterben, bevor sie das Erwachsenenalter erreichen. Medizinische Versorgung gibt es kaum, das nächste Gesundheitszentrum ist zwei Stunden Fußmarsch entfernt. "Ich hatte mal neun Kinder, jetzt habe ich drei", sagt Jowas Gasinzigwa.
Fast jeder hustet
Die 46 Familien des Weilers haben zusammen nur 50 Kinder, 15 von ihnen gehen zur Schule. Im Durchschnitt haben Frauen in Ruanda fünf oder sechs Kinder. "Ich habe jetzt drei, vorher waren es sechs", erzählt Celestin Uwimana. "Viele sterben an Malaria, weil sie nicht ins Krankenhaus gehen. Andere bekommen Hirnhautentzündung." Bwiza besteht aus Schilfhütten, ihre Dächer schützen nur unzureichend vor Regen. Es gibt kaum einen Bewohner, der nicht hustet.
Zephirin Kalimba leitet Entwicklungshilfeprojekte für die Twa, er schätzt ihre Zahl auf 33.000 bis 35.000. Ruanda hat insgesamt zehn Millionen Einwohner. Während die Bevölkerungszahl insgesamt steigt, nimmt die Zahl der Pygmäen ab. Kalimba fordert für sie die gleiche Unterstützung, wie sie etwa Behinderte oder Frauen in dem zentralafrikanischen Land erhalten. Von den Maßnahmen zur Armutsbekämpfung sei die Volksgruppe praktisch ausgegrenzt.
Diskriminierung auf Schritt und Tritt
Nach dem Völkermord von 1994, dem rund 800.000 Tutsis und gemäßigte Hutus zum Opfer fielen, mussten die Twa im Zuge der Befriedung sogar den Namen ihrer Dachorganisation ändern. Statt Gesellschaft indigener Ruander heißen sie jetzt laut Website Gesellschaft ruandischer Töpfer. Begründung: Statt ethnischer Unterschiede soll die gemeinsame Identität aller Ruander betont werden.
In Bwiza sitzen Männer in Gummistiefeln oder Plastiksandalen im Schatten und lamentieren. Einige Frauen beackern in der glühenden Hitze ein Feld, ein paar haben Kinder auf dem Rücken. Von beiden Gruppen ist Gelächter zu hören. Ab und zu tanzen sie und singen: In den improvisierten Liedern geht es über "den Minister, der sagt, die Twa brauchen Wellblechdächer für ihre Häuser" - oder, dass "Ruanda viele Ärzte hat, aber keinen bei den Twa-Dörfern".
Erstmals erwähnt wurden die Pygmäen vermutlich in einem Brief des Pharaos Pepi II im Jahr 2276 vor Christus. Der Entdecker Paul du Chaillu berichtete ausführlich über eine Begegnung im Regenwald von Gabun 1867. Seit jeher machte ihre Kleinwüchsigkeit sie zu Außenseitern, zu Untermenschen oder Kuriosa.
Heute schlagen sich die Twa für Hungerlöhne mit Töpferei und Gelegenheitsjobs durch. Die Diskriminierung begleite sie auf Schritt und Tritt, sagt Uwimana. "Wenn wir Arbeit suchen auf einer Baustelle, nehmen sie uns Twa nur, wenn da keine anderen Leute sind. Wenn wir ein bisschen Geld verdient haben und es auf die Bank bringen wollen, geben sie uns kein Konto, weil wir Twa sind." Der 14-jährige Justin Nzabandora sagt, viele Twa würden nicht zur Schule gehen, weil sie es "leid sind, dass andere auf sie zeigen: Schau mal, ein Twa".
Quelle: ntv.de, Helen Vesperini, AFP