Schönheit aus der Spritze Der Schnitt gegen sich selbst
21.04.2005, 16:16 UhrGesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat sich strikt gegen die immer mehr zunehmenden Schönheitsoperationen gewandt. "Eine Schönheitsoperation ist stets auch ein Schnitt gegen sich selbst", sagte Schmidt am Freitag in Berlin bei der Vorstellung einer Aufklärungsbroschüre.
Brigitte Huber, Vize-Chefredakteurin von "Brigitte", sagte unter Berufung auf Verbandsangaben, die Zahl der plastischen Eingriffe habe sich in Deutschland in 15 Jahren auf rund 700.000 mehr als versechsfacht - ein Viertel seien Schönheits-OPs. Die Frauenzeitschrift hat sich im Kampf gegen die Schönheits-Eingriffe auf die Seite Schmidts geschlagen. "Verzerrte Schönheitsnormen" geißelt Huber, den Realitätsverlust vieler teilweise auch immer jüngerer Frauen, die sich von Werbung und Filmen leiten ließen.
Der Weg zur "Schönheit" scheint recht einfach zu sein und führt über eine ganze Palette möglicher Schönheitsoperationen - mit Spritzen, Skalpells, Saugkanülen, Kunststofffäden, Silikon, Lasern oder Chemie-Peelings. Huber zitiert eindrucksvolle Zahlen, die das Institut Emnid repräsentativ für "Brigitte" erhoben hat: 23 Prozent der 30- bis 39-jährigen Frauen würden eine Schönheits-OP machen lassen, wenn sie es sich leisten könnten, ein Viertel will später "auf jeden Fall etwas gegen Falten tun". Während die Schönheitschirurgen immer mehr Menschen unters Messer bekommen, werden Models übrigens immer schmaler: "Wog ein Model früher im Durchschnitt 7 Prozent weniger als normale Frauen, sind es heute 30 Prozent weniger", sagt Huber.
Bis zur Sommerpause will Ulla Schmidt nun das geplante Werbeverbot für Brustvergrößerungen oder Fettabsaugen durchgesetzt haben. Viel mehr kann sie sonst nicht tun - außer aufklären. "Kranke Menschen, die gerne gesund wären, müssen sich unfreiwillig Operationen unterziehen, während gesunde Menschen ihre Gesundheit riskieren", sagt Schmidt. "Wo bleibt die Achtung vor der Gesundheit des Körpers?" Die Ministerin betont auch, die Beitragzahler müssten für eventuelle medizinische Folgekosten der oft riskanten OPs aufkommen.
Hans-Ulrich Steinau, Direktor der Bochumer Uni-Klinik für Plastische Chirurgie, warnt in der neuen Broschüre: "Obwohl die überwiegende Mehrzahl der Patienten die Fettabsaugung ohne Komplikationen übersteht, gibt es mehr und mehr Hinweise auf katastrophale Schäden." Mögliche Komplikationen: Infektionen, Lungenschädigung, Entstellungen. Allein zwischen 1998 und 2002 habe es nach solchen Eingriffen 20 Tote gegeben.
Was treibt die Menschen - vor allem Frauen, zu mehr als einem Zehntel der Fälle aber auch Männer - zu Schönheits-OPs? Die Freiburger Soziologieprofessorin Nina Degele verweist in der Broschüre darauf, dass gutes Aussehen heute auch wichtig ist für die Karriere. "Schön machen wir uns vor allem, weil wir soziale Anerkennung brauchen."
Dass es auch ohne künstliche Verbesserungen geht, belegt Filmstar Franka Potente: "Ich habe schon super Rollen gespielt, ohne große Brüste", sagt sie. Und: "Erfolgreiche Schauspielerinnen wie Nicole Kidman, Cameron Diaz oder Kim Cattrall haben zum Beispiel eher kleine Brüste." Ministerin Schmidt übrigens hegt starke Zweifel, dass der Weg zur Schönheit überhaupt über Messer und Nadel führt. "Viele, die Eingriffe vornehmen lassen, sehen hinterher nicht wirklich schöner aus als vorher." Das habe sie selbst jedenfalls bei Charity-Veranstaltungen, auf die ihr Amt sie bisweilen führt, schon öfter gedacht.
Quelle: ntv.de