Gesundheitsrisiko Die dicken Kinder Deutschlands
04.05.2005, 10:41 UhrDiabetes Typ 2, Bluthochdruck, Gelenkverschleiß, Fettleber oder Gallensteine sind nicht mehr nur typische Erwachsenen-Krankheiten. Immer mehr Kinder sind betroffen, so Martin Wabitsch von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Ulm.
Für sie bedeutet das oft lebenslanges Leiden, für das Gesundheitssystem riesige Kosten und für die Volkswirtschaft massive Schäden. "Die Ursachen dieser Krankheiten sind Bewegungsmangel, falsche Ernährung oder Übergewicht", erläutert der Professor für Endokrinologie, Diabetes und Adipositas.
"Häufig treten diese drei Faktoren auch in Kombinationen auf: Übergewicht - in der extremen Form Adipositas, also Fettsucht - wird durch Bewegungsmangel und falsche Ernährung hervorgerufen." Laut Wabitsch sind derzeit etwa 15 bis 20 Prozent aller Kinder übergewichtig oder gar adipös und haben damit ein erhöhtes Risiko, an Alterskrankheiten zu erkranken.
Kinder- und Jugendmediziner empfehlen für diese Kinder ein spezielles Screening. Bei dieser Methode werden Blutzucker, Cholesterin im Blut, Blutdruck und Gefäßveränderungen am Hals gemessen. "Wenn der Kinderarzt für ein übergewichtiges Kind ein solches Screening nicht anbietet, sollten Eltern unbedingt danach fragen", empfiehlt Wabitsch.
"Innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist die Zahl der Kinder, die an Diabetes Typ 2 erkrankt sind, um mehrere hundert Prozent gestiegen", sagt Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Düsseldorf. Wenn die Folgen der Krankheit - Schädigungen der Netzhaut und der Niere oder Durchblutungsstörungen der Arme und Beine - entdeckt werden, ist es oft schon zu spät.
Anders sieht es bei orthopädischen Erkrankungen wie Fehlstellungen der Kniegelenke oder Verschleißerscheinungen im Hüftgelenk aus. Sie sind meist Vorstufen von Arthrose und äußern sich in Gelenkschmerzen. "Jedes Kind und jeder Jugendliche muss in der Lage sein, fünf bis zehn Kilometer ohne Beschwerden zu gehen. Kann er das nicht, müssen die Ursachen medizinisch abgeklärt werden", sagt Hartmann.
Zwei von hundert adipösen Kindern leiden nach Wabitschs Angaben unter Gallensteinen. "Wenn ein dickes Kind gehäuft über Bauchschmerzen klagt, sollte eine Ultraschalluntersuchung vorgenommen werden", empfiehlt Wabitsch. Schwieriger zu erkennen sind die Symptome einer Fettleber, die zu einer Schrumpfleber (Leberzirrhose) führen kann. "Erste Anzeichen können sein, wenn ein Kind besonders abgeschlagen und müde wirkt und wenig leistungsfähig ist."
Sind die Krankheiten einmal erkannt, ist eine medikamentöse Behandlung meist unumgänglich. Allerdings: Mit der Therapie von Diabetes Typ 2 oder Gallensteinen haben Kinder- und Jugendmediziner in der Vergangenheit praktisch keine Erfahrungen gesammelt.
Jede medikamentöse Behandlung muss begleitet werden von dem Versuch, die Ursachen der Krankheiten zu beheben. "Ein erstes Ziel sollte sein, das Gewicht zu halten, so dass es durch das Wachstum des Kindes in der Relation verringert wird", schlägt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn vor. "Erst in einem zweiten Schritt sollte man dann die aktive Gewichtsreduzierung in Angriff nehmen." Hungerkuren oder gar Medikamente zur Gewichtsreduktion sind jedoch tabu. Der wachsende Körper braucht eine Mindestmenge aller Nährstoffe.
Quelle: ntv.de