"Größter Fortschritt seit 15 Jahren" Drei Alzheimer-Gene entdeckt
12.09.2009, 10:30 UhrMassen-Gentests von mehreren tausend Alzheimer-Patienten haben drei bislang unentdeckte Risikogene für das unheilbare Hirnleiden zutage gefördert. Gemeinsam sind diese Erbanlagen für rund 20 Prozent des Alzheimerrisikos verantwortlich, schreiben zwei internationale Forscherteams im Fachblatt "Nature Genetics". Es ist die erste Entdeckung von Alzheimer-Risikogenen seit 1993, wie die Forscher betonen. Teamleiterin Julie Williams von der Universität Cardiff sprach vom "größten Fortschritt in der Alzheimer-Forschung seit 15 Jahren". Viele Mediziner vermuten, dass bis zu 80 Prozent des Erkrankungsrisikos in den Genen liegen könnte.
Bislang größte Studie zur Alzheimer-Genetik

In Deutschland ist Alzheimer die häufigste Form der Demenzerkrankungen.
(Foto: picture-alliance/ ZB)
Bisher war dennoch nur das Gen APOE als Risikofaktor für die häufigste Form der Alzheimer-Krankheit bekannt. Drei weitere Gene hatten sich als Risikofaktoren für eine seltene, früh ausbrechende Form des unheilbaren Gedächtnisschwunds entpuppt. In der bislang größten Studie zur Alzheimer-Genetik verglichen die Wissenschaftler um Williams nun die Erbanlagen von 7000 Alzheimerpatienten und 12.000 gesunden älteren Europäern und US-Bürgern auf charakteristische Veränderungen. Bei dieser genomweiten Durchmusterung stießen die Forscher auf die Gene CLU und PICALM, die bei auffällig vielen Alzheimerpatienten verändert waren.
"Mit statistischen Methoden haben wir den Anteil von APOE am Erkrankungsrisiko auf 19 bis 20 Prozent beziffert. Die beiden neu identifizierten Gene liegen bei unter 10 Prozent", erläuterte Ko-Autorin Alison Goate, die 1991 mit einem englischen Team das erste Risikogen für die Frühform von Alzheimer gefunden hatte. Die zweite Gruppe um Philippe Amouyel vom Institute Pasteur in Lille (Frankreich) entdeckte bei einer ähnlichen Durchmusterung mit 14.000 Probanden zudem einen Zusammenhang mit dem Gen CR1. Es könnte etwa 4 Prozent zum Erkrankungsrisiko beitragen.
Wirkmechanismus noch nicht geklärt
Wie die neu identifizierten Risikogene das Demenzleiden auslösen können, ist noch nicht geklärt. Das Gen CLU liegt auf Chromosom 8 und enthält die Bauanleitung für ein Protein namens Clustrin. Aus Versuchen mit Mäusen vermuten die Forscher, dass Clustrin an der Bildung der Amyloid-Plaques im Hirn beteiligt sein könnte, die für die Alzheimer-Krankheit charakteristisch sind. Manche Forscher haben bei Alzheimer-Patienten erhöhte Clustrinspiegel im Hirn gemessen.
Das zweite Gen, PICALM auf Chromosom 11, scheint am Abbau von Nervenverbindungen (Synapsen) beteiligt zu sein. Auch diese Erbanlage könnte zudem eine Rolle bei den Amyloid-Ablagerungen spielen. Das Gen CR1 auf Chromosom 1 spielt eine Rolle beim Schutz des Hirns. "Könnten wir die schädlichen Effekte dieser Gene durch Behandlung eliminieren, könnten wir den Anteil der Menschen, die Alzheimer entwickeln, um 20 Prozent senken", betont Williams. Zudem haben die Forscher 13 weitere verdächtige Gene entdeckt, die genauer untersucht werden sollten.
Alzheimer ist die häufigste Demenzform in Deutschland. Sie betrifft etwa zwei Drittel der rund eine Million Demenzpatienten. Die Häufigkeit nimmt mit steigendem Lebensalter stark zu. Die fortschreitende Hirnleistungsschwäche lässt sich nicht heilen, mit Medikamenten aber bremsen. Die genauen Ursachen des Leidens sind nicht bekannt.
Quelle: ntv.de, dpa