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Seereinigung mit Hindernissen Dresdner als Schildkröten-Wächter

Peter Werner, Professor an der Technischen Universität in Dresden, hält Ablagerungen aus dem Hoan-Kiem-See bei Hanoi in Vietnam in der Hand.

Peter Werner, Professor an der Technischen Universität in Dresden, hält Ablagerungen aus dem Hoan-Kiem-See bei Hanoi in Vietnam in der Hand.

(Foto: dpa)

Der Hoan Kiem-See in Hanoi ist eine Ruheoase in der pulsierenden Stadt, doch unter der Wasseroberfläche sieht es düster aus: dicker Schlamm und grüne Algen, so weit das Auge reicht. Der See ist eine Art Nationalheiligtum der Vietnamesen, verbunden mit der populären Legende über eine sagenhafte Schildkröte. Schon deswegen ist die Säuberung eine heikle Angelegenheit. Kommt hinzu, dass auch heute eine einzige, aber ganz besondere Schildkröte in dem 13 Hektar großen See lebt. Aus Sorge um ihr Wohlergehen sind mehrere Säuberungsversuche im Sande verlaufen. Bis Professor Peter Werner aus Dresden kam. Sein Konzept hat die Vietnamesen überzeugt. Diese Woche werden die ersten 1000 Quadratmeter vom Schlamm befreit - unter den wachsamen Augen der Schildkröten-Wächter, versteht sich.

Werner hat den Start der Säuberung selbst überwacht und ist sich der schwierigen Natur des Unterfangens bewusst. "Wenn die Schildkröte umkäme, gäbe es mit Sicherheit große Probleme zwischen Vietnam und Deutschland", sagt er der Deutschen Presse-Agentur dpa am Ufer des Sees. "Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen, um die Schildkröte nicht zu stören."

Nur noch vier weltweit bekannte Exemplare

Die Geschichte mit der Schildkröte und dem See geht auf das 15. Jahrhundert zurück. Ein Fischer fand im See ein Schwert und gab es dem erfolgreichen Krieger Le Loi. Der trug es stets, während er gegen chinesischen Besatzer kämpfte. Er siegte, und wurde zum König ernannt. Eines Tages fuhr er auf dem See, als eine himmlische Schildkröte auftauchte und das Schwert zurückforderte. Der König tat, wie ihm geheißen, und nannte den See Hoan Kiem: See des zurückgebrachten Schwerts. Wie durch ein Wunder lebt in dem See auch heute eine einzigartige Riesenweichschildkröte. Sie dürfte eines der nur noch vier weltweit bekannten Exemplare der Art mit den lateinischen Namen "Rafetus swinhoei" sein, glauben Biologen.

Nun hat sich in dem See im Laufe der Jahrzehnte jede Menge Schlamm abgelagert. An manchen Stellen ist das Wasser nur noch 40 Zentimeter tief. Die Austrocknung drohte. Die herkömmliche Methode - das Wasser abzulassen und den Schlamm abzutragen - kam wegen der Schildkröte nicht infrage. So kam Werner, Dekan der Fakultät für Forst-, Geo- und Hydrowissenschaften an der Technischen Universität Dresden, ins Spiel. Er hat ein Konzept entwickelt, das See und Schildkröte retten soll. Die Berliner Firma GSan Ökologische Gewässersanierung entwarf eigens den Unterwassersaugbagger "Sediturtle" (Sediment und turtle, englisch für Schildkröte).

Enormer Aufwand

Der Saugbagger fährt langsam über den Boden des Sees und saugt die oberste Sedimentschicht ab. Leonhard Fechter von der Berliner Firma Herbst Umwelt Technik überwacht das Projekt. Schläuche befördern den Schlamm in einen Tank am Ufer. Wissenschaftler wollen prüfen, ob sich das Sediment als Dünger eignet. Auch das Wasser soll in den nächsten Wochen getestet werden, um zu sehen, ob sich die Qualität durch das Abtragen der Sedimentschicht verändert hat. Aus dem Wasser werden Phosphor und Stickstoff herausgefiltert, ehe es zurück in den See kommt. Nach der Testphase entscheiden die Vietnamesen, ob der ganze See nach der Dresdner Methode gereinigt werden soll.

Der Aufwand ist enorm - und alles für eine Schildkröte, die im Bewusstsein der Vietnamesen aber einen ganz besonderen Platz hat. Wenn das Tier mal seinen Kopf aus dem trüben Wasser hebt, bilden sich am Ufer immer Menschentrauben. Das Ereignis gilt als Glücks-Omen. Und deshalb müsste das Projekt unter einem guten Stern stehen. "Ich jogge morgens fünfmal um den See", sagt Werner. "Und ich habe die Schildkröte schon dreimal gesehen. Sie ist echt", versichert er. "Kein Nessie wie im schottischen Loch Ness oder so etwas."

Quelle: ntv.de, Matt Steinglass, Christiane Oelrich, dpa

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