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Wann blüht der erste Flieder? Ehrenamtliche Erfassung der Natur

Im Garten von Heinrich Müller gibt es mehr als 50 Obstbäume. Der ehemalige Landwirt notiert genau, wann die Blüte beginnt und wann die ersten Früchte reif sind.

Heinrich Müller freut sich über den Flieder in seinem Garten.

Heinrich Müller freut sich über den Flieder in seinem Garten.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Zahrenholz gibt es keine Gaststätte, keinen Laden. Aber Wetter gibt es in dem 250-Seelendorf in der niedersächsischen Heide schon. Und das ist wie in anderen Teilen Deutschlands in diesem Jahr ein wenig zu kühl. "Die Blütezeit zieht sich hin in diesem Jahr", stellt Heinrich Müller als gravierende Folge der kühlen Temperaturen fest. Und Müller muss es wissen - seit 40 Jahren beobachtet er die Pflanzenwelt für den Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach. Müller ist einer von mehr als 1300 ehrenamtlichen DWD-Phänologen.

Zu ihren Aufgaben gehört das exakte Erfassen der Phänophasen: Die ersten Blütenkätzchen des Haselnussstrauches, der Beginn der Apfelblüte, die ersten reifen Kirschen und auch der Fall der letzten Nadeln der Lärchen. Insgesamt werden nach DWD-Angaben 167 Entwicklungsphasen an 46 Pflanzen beobachtet.

Die Pflanzenschau gehört fest zum Alltag von Heinrich Müller, der sein Alter partout nicht verraten will. Für die meisten Pflanzen muss der ehemalige Landwirt nicht weit gehen: "In meinem Garten stehen mehr als 50 Obstbäume", erzählt der Junggeselle - ob Apfelsorten wie Cox-Orange oder Boskoop, ob Kirsche oder Pflaume. Bis zum nächsten Rapsfeld radelt er aber auch schon mal fünf Kilometer.

Kein Grund zur Beunruhigung

Peinlich genau werden die Daten aus der Natur festgehalten.

Peinlich genau werden die Daten aus der Natur festgehalten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Flieder blüht weiß und lila in Müllers Garten. Müsste der nicht längst verblüht sein? "Flieder blüht immer so um den 10. Mai", sagt Müller. Und schon schlägt er sein Pflanzentagebuch aus dem Vorjahr auf: "2009 fing der Flieder am 26. April an zu blühen, das war früh", sagt er. Aber zwei Wochen Unterschied sei kein Grund zur Beunruhigung. Sicher habe es eine Klimaerwärmung gegeben, die wolle er gar nicht abstreiten. Aber die Natur habe auch eine gewisse Spannbreite und mehr Zyklen als nur die Jahreswechsel.

"In den 50er Jahren, da war es auch schon mal so richtig kalt im April und Mai", erinnert er sich. In der Gegend um Zahrenholz wird Öl gefördert und zum 1. Mai käme immer ein Birkenzweig auf den Förderturm. "Damals gab es aber keinen. Es war einfach zu kalt, die Birken hatten noch gar keine Blätter."

Ein kühler Mai hat auch Vorteile

"Wenn der Mai zu heiß ist, blühen die Bäume nur kurz. Insekten haben dann also auch nur wenig Zeit zum Bestäuben", erläutert Müller. Doch die lange Blüte in diesem Jahr wird den Ertrag auch nicht unbedingt steigern - Bienen fliegen erst bei etwa zehn Grad. In das allgemeine Klagelied über das Wetter stimmt er nicht ein, er kann jedem Wetter etwas abgewinnen. "Schädlingen wie Schnecken macht das kühle Wetter zu schaffen, das ist doch gut."

Heinrich Müller betrachtet die Blüten seines Apfelbaumes genau.

Heinrich Müller betrachtet die Blüten seines Apfelbaumes genau.

(Foto: picture alliance / dpa)

Müller wurde vor 40 Jahren vom Bürgermeister angesprochen: "Der Wetterdienst suchte damals über die Gemeinden Leute", erinnert er sich. Wer heute Lust hat, Phänologe zu werden, der sollte sich beim DWD melden. "Wir suchen auch heute immer noch Interessierte", sagt Ekko Bruns, der beim DWD für die Phänologie zuständig ist.

Müller ist ein typischer Phänologe. "Viele Beobachter kommen aus Berufen wie Landwirt, Gärtner, Biologielehrer oder Forstbediensteter", berichtet Bruns. Ein Muss sei solch eine "Vorbelastung" aber nicht. Interesse am Umweltgeschehen, das Wissen um die heimische Flora und die Liebe zur Natur würden genügen.

Vielfältige Datennutzung

Der DWD nutzt die Daten zum Beispiel auf dem Gebiet der Klimaforschung, für die Beratung von Land- und Forstwirten oder für den Polleninformationsdienst. Selbst Reiseunternehmen greifen auf die Pflanzen-Daten der Phänologen zurück, etwa wenn es um die Planung für Fahrten zur Heideblüte oder zur Apfelblüte ins Alte Land geht.

Auf eine Vorhersage für den Sommer will Müller sich übrigens nicht einlassen, nur soviel sagt er: "Ich glaube nicht, dass wir lange Trockenperioden bekommen werden." Und Ekko Bruns ergänzt: "Eine Meinung, die auch phänologische Beobachter aus anderen Teilen Deutschlands teilen".

Quelle: ntv.de, Anita Pöhlig, dpa

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