Medizin-Highlights 2006 Ein Resümee
13.12.2006, 14:06 UhrIsabelle Dinoire kann wieder lächeln. Die weltweit erste großflächige Gesichtstransplantation bei der Französin entpuppte sich - nach dem Urteil ihrer Ärzte - in diesem Jahr als Erfolg. Die 39-Jährige, die ein Hundebiss schwer entstellt hatte, ist dank des bereits Ende 2005 geführten Eingriffs inzwischen weitgehend in die Normalität zurückgekehrt. In den nächsten Monaten will sie ihre Arbeit wieder aufnehmen. Auch auf anderen Gebieten erlebte die Medizin 2006 wichtige Fortschritte. Es gab jedoch auch herbe Rückschläge.
Zu den Erfolgsstorys gehört die erste Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs, die in diesem Jahr auf den Markt gekommen ist. Vor rund 20 Jahren hatten Mediziner erkannt, dass bestimmte Warzenviren für die meisten Fälle dieses zweithäufigsten Karzinoms weltweit bei Frauen verantwortlich sind. Das machte die gezielte Entwicklung einer Impfung gegen diese so genannten Humanen Papillomviren (HPV) möglich, die viele Frauen in Deutschland inzwischen auf Kassenrezept bekommen können.
Neu zugelassen wurde - in den USA - auch das weltweit erste autonome Kunstherz, das vollkommen ohne Schläuche und Drähte nach außen auskommt. AbioCor ersetzt das körpereigene Organ komplett. Und für Patienten mit schweren Fällen der Schüttellähmung Parkinson erwies sich der Hirnschrittmacher in Studien als mögliche Option.
Unheilbar bleibt auch 100 Jahre nach ihrer Erstbeschreibung die Gedächtnisschwäche Alzheimer. Vorsichtige Hoffnungen setzen Mediziner in einen experimentellen Impfstoff, der 2006 erneut in den Test ging, nachdem frühere, viel versprechende Versuche wegen gravierender Nebenwirkungen abgebrochen werden mussten. Eine Veränderung des Wirkstoffs soll diese Nebenwirkungen nun vermeiden. Ob daraus allerdings jemals eine praktikable Impfung wird, ist alles andere als sicher.
Katastrophal endete der Test eines anderen experimentellen Medikaments: Die sechs Probanden in London, die den Wirkstoff TGN 1412 gegen Multiple Sklerose, Blutkrebs und Rheuma der Würzburger Firma TeGenero erhalten hatten, erkrankten innerhalb von Stunden lebensgefährlich - ihre Organe versagten zum Teil. Alle Versuchsteilnehmer überlebten, der Test wirft jedoch Fragen zur üblichen Verfahrensweise in der medizinischen Forschung auf. Denn eine britische Regierungskommission bescheinigte den Ärzten fehlerfreies Vorgehen, das die Katastrophe dennoch nicht verhindern konnte.
Zu den Rückschlägen gehörte auch das Geständnis des norwegischen Krebsforschers Jon Sudb gleich zu Jahresbeginn, gefälschte oder frei erfundene Forschungsresultate in drei international angesehenen Fachjournalen veröffentlicht zu haben, darunter im weltältesten Medizinjournal "The Lancet". Dessen Chefredakteur Richard Horton sprach von einem "beispiellosen Schwindel".
Auch der bereits Ende 2005 losgetretene Skandal um Fälschungen aus dem Stammzelllabor des Südkoreaners Hwang Woo Suk wirkte nach und verunsicherte Stammzellforscher wie Bürger. Eine Untersuchungskommission kam zu dem Schluss, dass beide einst als bahnbrechend gefeierten Stammzellstudien gefälscht waren. Hwang verlor nach seinem Universitätsjob alle seine Ehrentitel und wurde wegen Betrugs angeklagt. Der Tiermediziner hat mittlerweile ein privates Labor gegründet, wo er sich nach eigenen Angaben mit den Chancen der Transplantation von Tiergewebe auf Menschen beschäftigt.
Gute Nachrichten gab es von Louise Brown. Die 1978 als weltweit erstes Retortenbaby geborene Britin berichtete im Juli, sie sei selbst schwanger. Brown ist zwar nicht das erste ehemalige Retortenbaby, das selbst ein Kind bekommt. Doch ihre Schwangerschaft zeigt einmal mehr, dass Reagenzglaskinder zu ganz normalen Erwachsenen heranwachsen. Browns Kind soll im Januar zur Welt kommen. Zu Stande kam es - wenn man der Boulevardpresse glauben darf - auf natürlichem Wege.
Von Till Mundzeck, dpa
Quelle: ntv.de