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Brustkrebs beim Mann "Eine eigenständige Erkrankung"

Viele wissen gar nicht, dass auch Männer Brustkrebs bekommen können.

Viele wissen gar nicht, dass auch Männer Brustkrebs bekommen können.

(Foto: Ralph-Thomas Kühnle, pixelio)

Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen, kommt aber auch bei Männern vor. n-tv.de spricht mit Brigitte Overbeck-Schulte, Bundesvorsitzende der Frauenselbsthilfe nach Krebs, über die Besonderheiten der Krankheit und die Situation der Betroffenen.

n-tv.de: Wenn es um Brustkrebs beim Mann geht, reden wir dann von derselben Krankheit wie Brustkrebs bei Frauen?

Brigitte Overbeck-Schulte: Nein, zwei Experten haben auf unserer jüngsten Bundestagung eindeutig festgestellt, dass Brustkrebs beim Mann eine eigenständige Krankheit ist. Das lässt sich an verschiedenen Merkmalen festmachen. So wurden bei Gen-Analysen über 1000 Unterschiede gegenüber dem Brustkrebs der Frauen entdeckt. Das Tragische an der Geschichte ist, dass es bisher kaum wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema gibt und Männer meistens genauso therapiert werden wie erkrankte Frauen.

Woran liegt das?

Die Patientengruppe der Männer mit Brustkrebs ist relativ klein. Jährlich gibt es rund 500 Neuerkrankungen bei Männern. Um das ins Verhältnis zu setzen: Auf 100 Frauen, bei denen Brustkrebs diagnostiziert wird, kommt ein Mann. Brustkrebs ist also insgesamt eine sehr häufige Krankheit, aber Männer erkranken eher selten daran. Wegen der kleinen Patientengruppe ist wiederum das Forschungsinteresse der Pharmaindustrie gering.

Was raten Sie Männern?

Bei Frauen können Mammografien zu einer Diagnose führen.

Bei Frauen können Mammografien zu einer Diagnose führen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Prinzipiell sind die Heilungschancen einer Brustkrebserkrankung beim Mann nicht schlechter als bei Frauen. Und doch ist die Sterberate bei Männern in den vergangenen 25 Jahren im Gegensatz zu der bei Frauen nicht gesunken. Das liegt unter anderem daran, dass Brustkrebs bei Männern häufig zu spät entdeckt wird. Und das müsste eigentlich nicht sein, denn Verhärtungen oder Knoten lassen sich beim Mann viel besser ertasten als bei Frauen. Das Problem ist aber, dass Männer gar kein Bewusstsein für eine Selbstuntersuchung ihrer Brüste haben. Zu den Risikogruppen gehören Männer, in deren Familien häufig Brustkrebs vorgekommen ist. Wenn also die Mutter, Schwester oder Tante vor allem in jungen Jahren an Brustkrebs erkrankt ist, sollten auch die männlichen Mitglieder der Familie regelmäßig ihre Brüste abtasten.

Auf was sollten Männer bei solch einer Selbstuntersuchung denn besonders achten?

Wenn sie Verhärtungen oder Knoten ertasten oder aber auch, wenn aus der Brustwarze Flüssigkeit austritt, dann kann das ein Hinweis auf Brustkrebs sein. In solchen Fällen sollten Männer zuerst zu ihrem Hausarzt gehen. Das Problem ist jedoch, dass auch viele Hausärzte nicht auf die Idee kommen, dass es sich um Brustkrebs handeln könnte und ihre Patienten ohne eine klärende Diagnostik einfach wieder nach Hause schicken.

Wie sieht denn eine gute Diagnostik aus?

Hausärzte sollten ihre Patienten zum Gynäkologen oder direkt zu einem Radiologen überweisen. Eine Untersuchung per Mammographie ist beim Mann aufgrund des fehlenden Drüsengewebes nicht möglich. Radiologen versuchen daher mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung zu einer klaren Diagnose zu kommen. Sollte der Befund auffällig sein, wird zur Abklärung eine Biopsie, also Gewebeentnahme, durchgeführt.

Leiden Männer anders als Frauen an der Diagnose Brustkrebs?

Die rosa Schleife ist ein internationales Symbol, das auf die Problematik der Brustkrebserkrankung hinweisen will.

Die rosa Schleife ist ein internationales Symbol, das auf die Problematik der Brustkrebserkrankung hinweisen will.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Ja und nein. Wenn die Diagnose "Krebs" lautet, ist das für die meisten Menschen ein Schock. Angesichts der Bedrohung des eigenen Lebens stellt sich bei vielen ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit. Bei Brustkrebs kommt bei vielen Frauen als psychisch sehr belastend der Verlust der Brust hinzu. Männer dagegen leiden psychisch sehr darunter, dass sie an einer typischen Frauenkrankheit erkrankt sind. Es löst Scham und Unbehagen in ihnen aus. Sie müssen sich vom Frauenarzt untersuchen lassen und werden mit Hormonen behandelt, die oftmals massive Nebenwirkungen wie die Einschränkung ihrer Potenz oder Stimmungsschwankungen haben. Sehr belastend ist außerdem, dass Brustkrebs beim Mann zu ungefähr 80 Prozent eine Erbkrankheit ist. Das bedeutet, die Männer haben große Angst um die Gesundheit ihrer Kinder.

Was können Männer mit der Diagnose Brustkrebs für ihre Psyche tun?

Brigitte Overbeck-Schulte ist die Bundesvorsitzende des Vereins Frauenselbsthilfe nach Krebs.

Brigitte Overbeck-Schulte ist die Bundesvorsitzende des Vereins Frauenselbsthilfe nach Krebs.

Das größte Problem scheint zu sein, dass es bisher kaum Austauschmöglichkeiten für diese Männer gegeben hat. Aus diesem Grund haben wir als größte deutsche Krebs-Selbsthilfeorganisation das Netzwerk Männer mit Brustkrebs ins Leben gerufen. Bisher haben sich 26 betroffene Männer gemeldet, die an diesem Projekt mitarbeiten wollen. Auf unserer Bundestagung am letzten Augustwochenende in Magdeburg haben diese Männer ein Konzept erarbeitet, wie das Netzwerk organisiert sein soll und wie sie als Ansprechpartner bundesweit fungieren können. Acht Männer haben sich direkt bereit erklärt, als telefonische Ansprechpartner zu Verfügung zu stehen. Diese sollen vor allem auch regional-spezifische Informationen weitergeben können.

Es geht also um den Austausch von Mann zu Mann?

Genau! Das Netzwerk soll helfen, Betroffene zusammenzubringen. Es ist gerade für diese Männer wichtig, sich in einer so extremen Lebenssituation auszutauschen. Die Standardtherapie für Männer mit Brustkrebs ist beispielsweise nicht durch Studien abgesichert. Das heißt, sowohl Patienten als auch Ärzte tappen im Dunkeln, zum einen was die Auswahl der Medikamente angeht, zum anderen bei der Dauer der Behandlung. Hier gibt es noch große Lücken in der Forschung. Das schürt die Unsicherheit der Betroffenen zusätzlich. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Männer mit Brustkrebs in den Informationsaustausch mit anderen Betroffenen treten können.

Mit Brigitte Overbeck-Schulte sprach Jana Zeh

Quelle: ntv.de

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