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Wasser statt Kohle Endlos-Energie im Pilotprojekt

Für die Stadt Heerlen war das Zechensterben in der niederländischen Provinz Limburg vor rund 30 Jahren eine Katastrophe. Nur wenige Kilometer von Aachen entfernt verschwanden 35.000 Arbeitsplätze unter Tage. Nun besinnt sich die Stadt ganz neu auf ihre Wurzeln. Aber statt Kohle will sie Wasser fördern - geothermisch erwärmtes Wasser zum Heizen und kaltes zum Kühlen.

Heerlen hat schon viel für einen Neuanfang getan: Verrußte Backsteinhäuser wurden abgerissen, Fördertürme und Schlote gesprengt. Eine moderne Einkaufs- und Bürostadt entstand. Nun sollen Hunderte Büros und 245 Wohnungen Energie aus der Tiefe bekommen. 80.000 Quadratmeter Gebäudefläche sind angepeilt. Das "Grubenwasser-Projekt" ist Teil der EU-Kampagne "Nachhaltige Energie 2005 bis 2008". "Es ist eine saubere Energie und endlos verfügbar", sagt die Stadtsprecherin Francine Pelzers.

Einmalige Dimension

Die Dimension des Pilotprojektes sei einmalig. Bisher habe es nur Versuche mit Grubenwasser an einzelnen Gebäuden gegeben. Die Diskussion über Klimawandel und steigende Energiepreise mache die Maßnahme in Heerlen aktuell wie nie. Nach Berechnungen sollen 55 Prozent Kohlendioxid eingespart werden.

Die ehemalige Bergbau-Kommune will zeigen, dass es wirtschaftlich und technisch machbar ist, Energie aus ehemaligen und mittlerweile geschlossenen Bergwerken zu gewinnen, um im großen Stil Wohn- oder Geschäftsviertel im Sommer damit zu kühlen und im Winter zu beheizen. Projektpartner aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland sind nach Angaben der Stadt mit begleitenden Studien beteiligt. Die Stadt Heerlen rechnet mit der Beheizung der ersten Gebäude durch Grubenwasser im nächsten Jahr.

Heizschlangen im Fußboden und den Wänden

Vier Bohrungen sind im ehemaligen Zechengebiet eingebracht worden, die Verlegung der Rohre hat gerade begonnen. Das kalte Wasser wird in 250 Meter Tiefe gefördert, das durch die Erdwärme auf 35 Grad erhitzte Wasser in 750 Meter Tiefe. Das Wasser wird über Pumpen zu Wärmepumpen an die Erdoberfläche gefördert. "Die Pumpen ziehen die Wärme heraus und geben sie an den anderen Kreislauf der Gebäude ab", sagte Pelzers.

Die Häuser müssen wie bei einer Fußbodenheizung mit Heizschlangen im Fußboden und in den Wänden ausgestattet sein, und sie brauchen eine bessere Isolierung. Aus diesem Grund macht die Energie aus der Tiefe nur bei Neubauten oder bei sanierten Gebäuden Sinn. Drei Großabnehmer sind als erste Kunden in Diskussion: das neue Wohnviertel Heerlerheide, die renovierungsbedürftigen Gebäude der Pensionsklasse und des Zentralamts für Statistik mit Büros für insgesamt 2000 Beschäftigte.

Noch so teuer wie Gas

Was kostet Energie aus Grubenwasser? Erst vor ein paar Tagen hat die Stadt den Preis für die Energie aus der Tiefe berechnet. Energie aus Grubenwasser ist demnach zurzeit genauso teuer wie Gas, das von den Niederländern bevorzugt wird. Aber angesichts der galoppierenden Energiepreise, werde sich das Verhältnis schnell zugunsten des geothermisch erwärmten Wassers verändern, meinen die Heerlener.

8,8 Millionen Euro trägt die EU zu dem Projekt bei, aber 4,3 Millionen Euro musste Heerlen selbst berappen. Dieses Geld will die Stadt durch Einnahmen aus dem Grubenwasser wieder erhalten. Für den Vertrieb und Verkauf ist die Gründung eines kommunalen Unternehmens in Diskussion.

Von Elke Silberer, dpa

Quelle: ntv.de

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