Wissen

Organisierte Kreativität Erfindung studieren

Die Zeiten einsamer Erfinder mit Geistesblitzen im stillen Kämmerlein sind vorbei. Auf der Suche nach Innovationen setzt die Wissenschaft heute auf kreative Gruppendynamik. Genau das ist die Idee der Potsdamer "HPI School of Design Thinking" (D-School), die nach eigenen Angaben europaweit einzige Erfinderschule für Studierende. Seit September 2007 lernen an der Einrichtung des Hasso Plattner Instituts 40 Studenten organisierte Kreativität. Nach Plänen der Nachwuchsforscher können sich Berufspendler bald schon ihren Kindern näher fühlen - und Liebe kommt als Ausstellungsobjekt ins Museum.

Mit herkömmlichem Design hat die Privatschule, die an die Universität Potsdam angegliedert ist, wenig zu tun. Statt Mode oder Produkten sind es Ideen, die gestaltet werden. Die 12 Dozenten und 40 Studenten kommen aus Geistes- und Naturwissenschaften, aus der Wirtschaft und Informatik. Statt harter Fakten lernen sie in dem einjährigen kostenfreien Zusatzstudium vor allem effektive Gruppenarbeit und erhalten Kommunikationstraining. Voraussetzung für einen Platz in der Erfinder-Schule sind guten Noten und kreative Ideen, die es vorzuweisen gilt.

Kreativ auf Klebezetteln

Zwei Tage pro Woche wird das Erfinden gelernt, Unterrichtssprache ist Englisch. Zum Abschluss bekommen die Absolventen ein Zertifikat - ohne Note. "Unsere Art von radikaler Multidisziplinarität gibt es sonst nirgends - es gibt keinen Studiengang in Europa, der so offen ist für Theologen, Physiker, Mathematiker und Künstler", sagt Christoph Meinel, Direktor des Hasso Plattner Instituts. Statt Frontalunterricht wird auf Gruppendiskussionen gesetzt, was an anderen Unis Hörsaal oder Seminarraum heißt, ist an der D-School "Learning Space". Dort hängen Hunderte neonfarbene Klebezettel, Skizzen und Listen an den Stellwänden - Spuren des Kreativprozesses.

An finanziellen Mitteln fehlt es nicht: 1998 rief SAP-Unternehmensgründer Hasso Plattner mit seinem Geld eine Stiftung ins Leben, aus der bis 2018 etwa 200 Millionen Euro in die verschiedenen Bereiche des Instituts fließen sollen, darunter auch die D-School.

Kalifornien produziert schon

Vorbild ist die amerikanische "d.school" an der Universität Stanford in Kalifornien, seit 2005 ebenfalls von Plattner gefördert. Aus den Geistesblitzen der US-Nachwuchsforscher wurde bereits Reales. Die Energiesparlampe "d.light" zum Beispiel "kostet unter zehn Dollar und der Akku hält bis zu einer Woche", sagt der Direktor der deutschen D-School, Ulrich Weinberg. In der Dritten Welt hätten so auch Bewohner von Elendsvierteln ohne regelmäßigen Strom elektrisches Licht.

Die deutschen Ideen sind noch im Entwicklungsstadium. Ein sogenannter Familychair wurde als Prototyp gebaut. "Eltern, die zu ihrem Arbeitsplatz pendeln oder dort wohnen, könnten sich dank unserer Erfindung ihren Kindern näher fühlen", erklärt die Biochemie-Studentin Gesa Krey. In dem Sessel sind Mikrofone und Lautsprecher unter dem Stoff verborgen, auch ein Bildschirm kann eingebaut werden. So können Kinder in dem bequemen Sessel zwanglos mit ihren reisenden Eltern plaudern. "Das ist recht billig und technisch leicht machbar", ergänzt Miterfinder und Publizistik-Student Frank Zopp.

Weiche Knie fürs Museum

Tontechnik-Student Johannes Seibt kam die Idee zu einem "Hands-on-Museum", in dem Emotionen plastisch dargestellt werden. Das Gefühl des Verliebtseins etwa soll mit speziellen Brillen sichtbar gemacht werden: Eine rosarote Brille zeigt Schmetterlinge, eine schwarze hingegen den wissenschaftlich-nüchternen Blick auf die Hormonvorgänge im Körper. Und weiche Knie wie beim Verliebtsein bekommt der Besucher auch, dafür sorgt eine weiche Matte als Untergrund auf dem Gefühls-Rundgang.

Im Nachbargebäude der Schule sitzt ein Risikokapitalfonds. Dort erhalten Jungunternehmer Startkapital. Für die Finanzverhandlungen sollen die Absolventen gut vorbereitet sein. Ein Rhetorikkurs, den sie absolvierten, trägt den Titel: "Wie man Eskimos Eiswürfel verkauft".

Von Wolf von Dewitz, dpa

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen