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Wichtige Eltern-Kind-Beziehung Erstes Jahr legt die Grundlagen

Einsatzort Kinderzimmer: tobende Jungs, überforderte Eltern und dazwischen eine Super-Nanny, die zu vermitteln versucht. Und der Rest der Welt kann die Querelen am Bildschirm verfolgen. Doch wer gebannt vorm Fernseher sitzt, um zu erfahren, wie der eigene Nachwuchs vielleicht doch noch zu bändigen ist, hat das Wesentliche bereits versäumt.

Denn die Entwicklung eines Kindes wird maßgeblich im Säuglingsalter bestimmt, durch den Aufbau einer intakten Eltern-Kind-Bindung im ersten Lebensjahr. Stellen Eltern für ihre Kinder einen Ort des Schutzes und der Sicherheit dar, spricht die Wissenschaft von einer sicheren Bindung. "Kinder müssen ihre Eltern als einen emotionalen Hafen empfinden, den sie jederzeit ansteuern können", sagt der Psychoanalytiker Karl Heinz Brisch vom Dr.-von-Haunerschen-Kinderspital in München.

Die Voraussetzung für den Aufbau einer sicheren Bindung ist Empathie, also das Einfühlen in die Bedürfnisse des Babys. Eltern müssen in der Lage sein, die Signale, die ihre Kinder aussenden, wahrzunehmen und angemessen und prompt darauf zu reagieren. "Das funktioniert nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Wenn das Baby Hunger hat und deswegen weint, will es nicht, dass man mit ihm spielt, sondern dass man es füttert", erklärt Brisch. Klingt nachvollziehbar, aber die Signale lesen und unmittelbar darauf reagieren, will gelernt sein

Nötige Aufmerksamkeit schenken

Dafür braucht es Zeit. Zeit, die viele Eltern heutzutage nicht haben. Für Berufstätige, insbesondere für alleinerziehende, von Job und Haushalt beanspruchte Mütter, ist es oft schwierig, dem Kind die nötige emotionale Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei haben Kinder, die sicher gebunden sind, klare Entwicklungsvorteile. Sie sind kreativer, flexibler, verfügen über größere soziale Kompetenz und können besser mit Belastungssituationen umgehen. "Eine sichere Bindung ist aber nicht abhängig von genetischer Herkunft, sondern von der emotionalen Verfügbarkeit", sagt Brisch. Die könne beispielsweise eine Tagesmutter genau so gut leisten wie die leiblichen Eltern. Der Rückhalt einer Bezugsperson ist auch für das Herausbilden von Selbstständigkeit unentbehrlich.

Kinder können nur losziehen und die Welt erkunden, wenn sie wissen, dass sie, wenn sie Angst verspüren, jederzeit zu der Bindungsperson zurückkommen und dort Beruhigung finden können. Problematisch wird es, wenn die Ängste durch die Eltern erst geschürt werden. Brisch therapiert an dem Münchner Spital häufig Kinder, bei denen der Gedanke an Schule und die Trennung von den Eltern Übelkeit und Kopfschmerzen auslöst. Reaktionen, deren Ursachen bei den Eltern anzusiedeln seien. "Die Eltern haben selbst Angst und projizieren diese auf ihre Kinder. Die Kinder verfügen dann über keine Sicherheit und sind ängstlich übererregt", sagt Brisch.

Teufelskreis von Aggression und Gewalt
Im extremen Fall erleben Kinder die eigentliche Schutzperson gar als Quelle von Angst, die Eltern vermitteln ihnen, dass die Welt bedrohlich und gefährlich sei. Besonders Kindern gewaltbereiter Eltern wird keinerlei Empathie entgegen gebracht. Als Folge dessen sind diese ebenso wenig in der Lage, sich in die Gefühle anderer hineinzuversetzen. Oft entsteht dann ein Teufelskreis aus Aggression und Gewalt. "Je weniger Eltern durch Stress oder eigene Kindheitserinnerungen belastet sind, desto empathiefähiger sind sie, desto besser können sie sich in die Gefühlslage des Kindes versetzen", sagt Brisch. Ist diese Voraussetzung geschaffen, wird eine Super-Nanny später gar nicht nötig sein.

Quelle: ntv.de

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