Nicht nur fürs Klima Ewig sollen die Wälder leben
04.06.2009, 15:41 UhrDie fortschreitende Abholzung von Regenwäldern trägt mit zur globalen Erderwärmung bei. Deshalb steht dieses brisante Thema auch auf der Tagesordnung der UN-Verhandlungen für ein neues Klimaschutz-Abkommen.

Vor allem die tropischen Wälder werden dringend gebraucht, wenn der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten noch aufgehalten werden soll.
(Foto: dpa)
Die fortschreitende Abholzung von Regenwäldern trägt mit zur globalen Erderwärmung bei. Deshalb steht dieses brisante Thema auch auf der Tagesordnung der Verhandlungen für ein neues Klimaschutz-Abkommen, die zur Zeit in Bonn geführt werden. Vor allem die tropischen Wälder werden dringend gebraucht, wenn der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten noch aufgehalten werden soll. Waldschutz ist Klimaschutz, lautet die allseits akzeptierte Linie. Für den Verbraucher scheint die Entwaldung weit entfernt, sie ist es aber nicht: Auch das Rindfleisch-Fertiggericht, die Teakholz-Gartenmöbel und das Leder der Sportschuhe oder der Handtasche können aus der klimaschädlichen Urwald-Zerstörung stammen.
Im Vordergrund der Klimaschutz-Verhandlungen steht die Frage, wie der Erhalt von Regenwäldern in ärmeren Ländern finanziert werden soll. Milliarden von Euro sind dafür nötig - bisher gibt es noch keine Lösung und keine Zusagen von den reichen Ländern. Umweltorganisationen haben die Kosten zum Aufhalten der Entwaldung auf jährlich rund 30 Milliarden Euro beziffert.
Bei der neuen UN-Verhandlungsrunde in Bonn haben Umweltorganisation auf ein weiteres, bisher vernachlässigtes Problem hingewiesen: Es besteht die Gefahr, bei den Wäldern nur den Klimaschutz-Effekt zu sehen - auf Kosten von Flora und Fauna. Bestrebungen, die Klimagespräche mit den Verhandlungen über den Erhalt der biologischen Vielfalt - beides sind Themen von UN-Konventionen - zu verknüpfen, blieben bisher im Ansatz stecken.
Erhalt der Biodiversität wichtig
Wälder dürften nicht nur als klimanützliche Speicher von Kohlenstoff gesehen und berechnet werden, warnt Greenpeace. Dies würde bedeuten, dass abgeholzte intakte Regenwälder etwa durch neue Monokultur-Plantagen wie für Palmöl oder andere rein industriell genutzte Wälder ersetzt werden könnten. Damit könnte zwar die Klimabilanz etwas ausgeglichen werden, aber dieser Weg gehe einher mit einem massiven Artensterben und Verlust an biologischer Vielfalt mit verheerenden Folgen. Für den Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen müsse daher gelten: "Der Schutz der Biodiversität muss im Zentrum von Waldschutz-Instrumenten stehen", fordert Greenpeace-Waldexperte Christoph Thies.
Die bisherige Definition von Wäldern nach dem Kyoto-Protokoll erlaubt den Ersatz von natürlich gewachsenen Primärwäldern durch Aufforstungen und Plantagen. Falls diese Linie auch bei dem Folgeabkommen, das in Kopenhagen beschlossen werden soll, fortgesetzt wird, könnten Finanzmittel auch künftig in neue Plantagenwälder geleitet werden.
Diese haben dann aber nicht mehr die gewachsene Artenvielfalt der Primärwälder und können nach Einschätzung von Wissenschaftlern auch nur rund 20 Prozent dessen an Kohlenstoff speichern, was Naturwälder vermögen, wie Thies erläutert. Außerdem sei der Erhalt biologischer Vielfalt auch wichtig zur Anpassung an die oft verheerenden Folgen des Klimawandels wie Dürren oder Überschwemmungen. Daher müsse bei einem neuen Klimapakt eine Biodiversitäts-Klausel eingebaut werden, die etwa Plantagen als Ersatz für Naturwälder von internationalen Geldern ausschließe.
Kurzfristige wirtschaftliche Interessen
Weltweit gibt es einen dramatischen Verlust an Vielfalt - vor allem durch Entwaldung. Jährlich sterben nach Schätzungen von Umweltorganisationen rund 50.000 Tier- und Pflanzenarten aus. Dabei geht es nicht nur um den Schutz von Tigern oder Gorillas. Durch den Verlust von Biovielfalt erhöht sich laut UN-Berichten die Anfälligkeit für Naturkatastrophen, außerdem seien die Lebensgrundlagen von Hunderten Millionen von Menschen gefährdet. Wälder etwa bieten auch Nahrung, Medizin, Unterkunft und sauberes Wasser. "Die Dimension der Biovielfalt zu ignorieren, könnte ähnlich verheerende Wirkungen auf das Leben auf dem Planeten haben wie der Klimaschutz", betont Thies.
Der Erhalt von Regenwäldern ist unter dem Stichwort REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) zentrales Thema bei den Klima-Verhandlungen. Dabei geht es darum, die Entwaldung oder Schädigung von Wäldern in Entwicklungsländern und damit Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid CO2 zu bremsen oder zu vermeiden. Die Abholzung der Urwälder - etwa am Amazonas, in Borneo oder im Kongo- Becken - trägt durch den damit verbundenen CO2-Ausstoß nach Schätzungen des Weltklimarats (IPCC) mit fast 20 Prozent zum Klimawandel bei. Das ist so viel, wie die beiden größten Klimasünder USA und China jeweils an CO2 in die Luft pusten.
Die Zerstörung oder Umwidmung des Urwalds geschieht meist aus kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen, wie etwa zur Holzgewinnung oder zu Weideland für Fleischerzeugung. Greenpeace verwies in einer aktuellen Studie aus Brasilien darauf, dass Unternehmen wie Adidas, Nike, Timberland, Clarks, Carrefour, Honda, Gucci oder IKEA von günstigem Leder aus Regionen in Brasilien profitierten, wo für Rinderzucht der Urwald zerstört werde. Rund 80 Prozent der abgeholzten Urwaldfläche in Amazonien würden als Weideland für die Rinderzucht verwendet. Das Leder werde nach Italien, China und Vietnam exportiert, wo große Schuhfirmen auch für den europäischen Markt produzierten.
Quelle: ntv.de, Edgar Bauer, dpa