Das Sterben der Sümpfe "Fast alles ist tot"
31.05.2010, 14:01 Uhr
Durch die Sperren wird das Öl eingezäunt und weiter ins Marschland getrieben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das Schweröl hat das artenreiche Feuchtgebiet im Mississippi-Delta erreicht. Von Vögeln und Fischen ist im Marschland nichts mehr zu sehen.
Auf dem Wasser in Pass a Loutre liegt eine zähe Ölschicht, die das Schilf des Marschlandes schwarz färbt. Angela Freeman taucht ein Gefäß in den Schlick, um eine Probe zu ziehen. "Fast alles ist tot, sagt die Wissenschaftlerin von der US-Umweltorganisation Environmental Defense Fund, die die Schäden der Ölpest im Mississippi-Delta im Bundesstaat Louisiana untersucht. Das Schweröl sei "sehr schwarz, wie Schokoladensoße, richtig dick".
Freeman stellt das Glas zu den anderen Proben, die sie zwischen Venice Marina und Pass a Loutre gezogen hat. Seit der Explosion der BP-Plattform "Deepwater Horizon" am 22. April strömen jeden Tag hunderttausende Liter Öl ins Meer. Zwischen 60.000 und 94.000 Tonnen haben sich bereits in den Golf von Mexiko ergossen. Inzwischen hat die Ölpest das artenreiche Feuchtgebiet im Mississippi-Delta erreicht.
Ölsperren nicht hilfreich
Freeman ist bestürzt von dem, was sie sieht und riecht. Per Boot reiste die Küstenexpertin den Mississippi hinunter in das Marschland. Flussaufwärts sei "die Vegetation üppig und voller Tiere - Vögel sangen, Fische sprangen aus dem Wasser. Wir sahen Meeräschen hüpfen, Pelikane, Seeschwalben und Reiher über uns", schwärmt sie. "Aber hier ist nichts. Fast alles ist tot."
Auch die drei Reihen von Ölsperren, die im Meer vor den Sümpfen gelegt wurden, konnten die Katastrophe in dem ökologisch sensiblen Gebiet nicht verhindern. Im Gegenteil: Laut Freeman wird das Öl durch die Sperren nun förmlich eingezäunt und weiter ins Marschland getrieben. "Andernfalls könnten die Gezeiten es noch hinausspülen."
Das Öl wird die Sümpfe vergiften, wenn nicht ersticken. Laut Freeman gibt es auch kein technisches Verfahren, mit dem das Schilf vom Öl gereinigt werden könnte. "Wenn das Schilfgras tatsächlich abstirbt, wird es sich im Sediment nicht mehr halten können, weil es eine sehr komplexe Wurzelmasse hat", erklärt sie. "Das kann die Erosion beschleunigen. Und wir haben jetzt schon ein ernstes Erosionsproblem."
Gefährliche Chemikalien
"Dieses Marschland ist extrem wichtig für Louisiana", betont die Wissenschaftlerin. "Hier sind die Laichgründe für Fische und die Brutgebiete für Vögel. Die Sümpfe schützen auch das Binnenland flussaufwärts gegen Sturmschäden. Sie brechen manche Wellen, die von Orkanen ausgelöst werden und funktionieren wie ein Filter für das Wasser, indem sie die Strömung verringern und dadurch das Ablagern von Sedimenten ermöglichen." Die Sümpfe in Louisiana bilden 40 Prozent der gesamten Marschfläche der USA.
Als Freeman hundert Meter weiter draußen eine weitere Probe nimmt, enthält diese Klumpen von rötlichem Öl, demnach "Hinweise auf Dispersionsmittel". Der Ölkonzern BP sprühte zehntausende Liter Chemikalien ins Meer, um das Rohöl in winzige, biologisch abbaubare Partikel aufzulösen. Umweltschützer warnen jedoch vor den Gefahren der Chemikalie für Fauna und Flora.
Und auch die bevorstehenden Stürme bedrohen das Marschland: Jetzt gerade beginnt die Hurrikan-Saison, die US-Meteorologen rechnen mit mehr als einem Dutzend kräftiger Wirbelstürme in diesem Jahr. Ein Sturm könnte das Öl aus dem Golf in den Mississippi hinein und flussaufwärts treiben, wo Tiere und Pflanzen von der Ölkatastrophe bisher verschont geblieben sind.
Quelle: ntv.de, Karin Zeitvogel, AFP