Neue Schmerztherapie für Kinder Forscher heilen durch Illusionen
05.01.2012, 10:15 Uhr
Die neue Therapie geht über Computerspiele ...
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Forscher in Montréal wolllen mit Hilfe von künstlich erzeugten Illusionen sowohl Schmerzen als auch Ängste von Kindern lindern. Dafür werden die jungen Patienten in einen dreidimensionale, virtuelle Welt geschickt.
Virtuelle Welten, die im kanadischen Montréal entstehen, sollen einst die Ängste und Schmerzen traumatisierter Kinder lindern helfen. Patrick Dubé, der ein Team von Medizinern des Sainte-Justine-Krankenhauses und Computer-Fachleuten in der franko-kanadischen Stadt leitet, erklärt: "Man könnte ein Kind, das unter Brandwunden leidet, in eine virtuelle Polarwelt versetzen und damit den Schmerz dämpfen."
Es sei bekannt, dass kognitive Illusionen Einfluss auf die Wahrnehmung von Schmerz hätten, sagt Dubé. So könne das schwer brandverletzte Kind durch eine Stimulation der Sinne das Gefühl bekommen, von einem Eisblock umschlossen zu sein - und dadurch weniger Schmerzen haben. Ein anderer kleiner Patient könne beispielsweise durch dreidimensionale Bilder vom Kinderzimmer daheim vergessen, dass er eigentlich fern von zu Hause in einer Klinik liegt.
Versuche mit 360-Grad-Projektionen
Das Team arbeitet in der Satosphère, dem Sitz der Gesellschaft für Kunst und Technologie in der Metropole der Provinz Québec. Zur Satosphère gehört ein Kuppelbau von 18 Metern Durchmesser, in der 360-Grad-Projektionen rund um die Zuschauer möglich sind. Die Wissenschaftler erforschen an der Satosphère neue Therapiemöglichkeiten durch sogenannte immersive Technologien, die Menschen in eine künstliche Welt in einer virtuellen Realität eintauchen lassen können.
In der Praxis heißt das, dass beispielsweise durch verschiedene Projektoren ganze Raumwelten entstehen können - nicht nur mitsamt Wänden, sondern sogar mitsamt Mobiliar. Um konkret für ihre medizinischen Zwecke zu forschen, haben die Wissenschaftler auf dem Satosphère-Gelände ein künstliches Krankenzimmer aufgebaut.
Medizinische Instrumente werden zu Spielzeug
3D-Animationen führen in virtuelle Welten und können so die Heilung unterstützen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Eines der Projekte der Ärzte und Computer-Experten ist die virtuelle Verwandlung medizinischer Instrumente in harmloses phantastisches Spielzeug. So lässt die kleine Tochter eines Forschers aus einer Spritze eine Rakete entstehen, die eine Rolle in einem Videoclip spielt. Technisch möglich wird dies durch eine mit einem Computer verbundene Videokamera und zwei Bildschirme.
Ziel ist es, Kinder mit medizinischem Gerät vertraut zu machen und ihnen - so zumindest die Theorie - ihre Furcht davor zu nehmen. Und Forschertochter Maxime, elf Jahre alt, sagt tatsächlich: "Ich habe jetzt keine Angst mehr vor Spritzen!" Parallel arbeiten die Forscher an Avataren, virtuellen Personen, die stellvertretend für echte Menschen stehen. Diese Avatare sollen traumatisierten Kindern die Kommunikation mit Erwachsenen ermöglichen, wenn die Jungen und Mädchen sich nicht direkt mitteilen möchten - eine Art Hightech-Puppenspielerei also, die eines Tages kleinen Patienten helfen soll, wieder Kontakt zu ihrer Umwelt aufzunehmen.
Die einzelnen Forschungsprojekte hätten alle ein Ziel: Kranken Kindern zu helfen, ihre Ängste zu überwinden, betont Patricia Garel, Chefin der Psychiatrie am Sainte-Justine-Klinikum. Die Technologie habe ein enormes Potenzial, doch noch stünden die Forscher ganz am Anfang. Zwar können virtuelle Kommunikation und Videospiele negative Auswirkungen auf das Sozialverhalten von Kindern haben, vor allem auf emotional eher labile Jungen und Mädchen. Doch Garel betont, dass die in Montréal erforschten modernen Technologien, sofern sie korrekt angewendet werden, traumatisierten Kindern einen virtuellen Weg zurück in ein normales Leben zeigen können.
Quelle: ntv.de, Michel Viatteau, AFP