Wissenschaftler erforschen "Hölle auf Erden" Gestein vier Milliarden Jahre alt
01.09.2009, 13:51 Uhr
Der Geochemiker Klaus Mezger steht mit einem vier Milliarden Jahre alten Gestein im Institut für Mineralogie der Universität Münster vor einem Massenspektrometer zur Untersuchung von Gesteinsproben.
(Foto: dpa)
Ein internationales Team von Wissenschaftlern erforscht in Münster die Hölle auf Erden. Mit Hilfe von High-Tech-Geräten versuchen sie, Milliarden Jahre altem Gesteinsmaterial Geheimnisse zu entlocken.
Es handelt sich um Reste aus der Frühphase der rund 4,6 Milliarden Jahre alten Erde - einer Zeit, in der auf dem Planeten höllenähnliche Zustände geherrscht haben müssen. Mit ihren Erkenntnissen haben die Münsteraner Geologen schon mehrfach international für Aufsehen gesorgt. Jetzt ist ihnen eine weitere spektakuläre Entdeckung gelungen.
Bei der Untersuchung von Gesteinsmaterial aus Ostindien erlebte das Team um den deutschen Leibniz-Preisträger Klaus Mezger, den US-Amerikaner Erik Scherer und den Inder Dewashish Upadhyay eine faustdicke Überraschung: Das Material stellte sich als uralt heraus. Genau gesagt ist es mehr als vier Milliarden Jahre alt. Ähnlich altes Gestein war bislang erst ein weiteres Mal auf der Erde gefunden worden - im vergangenen Jahr in Kanada. Upadhyay, Mezger und Scherer konnten es anfangs kaum glauben. "Bis zu siebenmal haben wir die Altersbestimmung wiederholt", erzählt Mezger. Doch die Nachmessungen bestätigten das erste Ergebnis.
Fast alle Zeugnisse verschwunden
Die in dem Gestein aus Indien gespeicherten Informationen sind deshalb so heiß begehrt, weil es über die "Höllenzeit" der Erde - das sogenannte Hadaikum - bislang nur wenig gesicherte Erkenntnisse gibt. "Wir wissen, dass die Erde damals ganz anders ausgesehen hat, aber wie anders, das ist die Frage", sagt Mezger.
Vermutet wird, dass in den ersten Jahrmillionen ein bis zu 800 Kilometer tiefer Magma-Ozean an der Oberfläche schwappte, der allmählich jedoch abkühlte und eine Kruste bildete. "Anfangs gab es kein Wasser und keinen freien Sauerstoff, dafür aber viel Kohlendioxid in der Atmosphäre, vielleicht so ähnlich wie heute auf der Venus", erläutert Mezger.
Die Seltenheit von Material aus der Frühphase der Erde erklärt der 51 Jahre alte Wissenschaftler mit der geologischen Aktivität des Planeten: "Gestein wird fortlaufend neu umgearbeitet." Der Kreislauf aus Schmelzen und Kristallisieren hat über Milliarden von Jahren fast alle dieser Zeugnisse verschwinden lassen.
Bohrer kratzen nur an der Oberfläche
Etwas von dem Gestein, das nach der Abkühlung der Erde die äußere Hülle bildete, blieb jedoch in einer Tiefe von über 100 Kilometern erhalten. Vor 1,5 Milliarden Jahren schmolz es und stieg dabei bis in eine Tiefe von 60 bis 100 Kilometern hinauf, wo es erstarrte. Durch geologische Prozesse gelangte das Gestein schließlich an die Erdoberfläche. Nur so kamen und kommen die Wissenschaftler an primäres altes Gestein heran. Danach zu bohren, ist für sie keine Alternative, denn bisherige Erdbohrungen konnten gerade einmal in zwölf Kilometer Tiefe vordringen. Im planetaren Maßstab haben die Bohrer also lediglich die Oberfläche angekratzt.
Metzger und seine Kollegen am Mineralogischen Institut der Universität Münster hoffen, mit Hilfe ihrer Proben eines Tages die Frage klären zu können, wann die Erde ausreichende Bedingungen für die Entstehung von Leben bot. Andere Forschungsarbeiten an dem Münsteraner Institut haben gerade erst die gängige Annahme, dass die ersten lebenden Zellen vor etwa 3,5 Milliarden Jahren auftauchten, infrage gestellt: So fanden Kollegen Mezgers bei der Untersuchung der ältesten Diamanten der Welt einen Hinweis auf die mögliche Existenz von Leben vor 4,25 Milliarden Jahren. Also mehr als 700 Millionen Jahre früher als bislang bekannt.
"Vor 3,8 bis 3,5 Milliarden Jahren war die Erde einem heftigen Bombardement durch Asteroiden ausgesetzt. Vielleicht wurde dabei das Leben noch einmal ausgelöscht", erläutert Mezger. Noch ist nichts bewiesen. Aber die Münsteraner Geologen könnten schon bald dafür sorgen, dass die Geschichtsbücher weltweit umgeschrieben werden müssen. Gerade erst ist in Mezgers Büro Gesteins-Nachschub aus Indien eingetroffen.
Quelle: ntv.de, Von Guido Heisner, dpa