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Demenzerkrankungen "Gingko-Essenz wirkungslos"

Ein Präparat aus dem Ginkgo-Baum taugt nicht zur Vorbeugung vor Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen. Selbst die jahrelange Einnahme des Extraktes verhindert oder verzögert diese Leiden einer aktuellen Untersuchung zufolge nicht. Auch angesichts möglicher Risiken dürften entsprechende Präparate nicht empfohlen werden, schreiben die Forscher im "Journal of the American Medical Association".

Bestimmten Inhaltsstoffen in den Samen und Blättern von Ginkgo biloba wird eine antioxidative und nervenschützende Wirkung zugesprochen, entsprechende Präparate werden zur Vorbeugung von Gedächtnisverlust und Demenz beworben und verkauft. Es gibt inzwischen eine umsatzstarke Industrie, die allerlei "Lifestyle"-Produkte daraus anbietet, etwa Tees und Limonaden. Ginkgo ist ein "lebendes Fossil", Pflanzen dieser Art existieren seit fast 300 Millionen Jahren.

Die traditionelle chinesische Medizin verwendet die Blätter seit hunderten Jahren - hierzulande dienen die zweigeteilten Blätter unter anderem zur Illustration von Meditations-CDs. In Zell- und Tierversuchen wurde die Wirkung einzelner Substanzen teils bestätigt, klinische Studien am Menschen lieferten bisher widersprüchliche Ergebnisse. Nach einer Gesamtauswertung vorhandener Studien kamen Forscher im Jahr 2007 zu dem Schluss, dass weitere Arbeiten nötig seien, um mögliche positive Wirkungen zu erkennen.

"Größte Untersuchung bisher"

Wissenschaftler um Steven DeKosky von der Universität in Pittsburgh untersuchten nun mehr als 3000 Patienten ab 75 Jahren, die zu Beginn der Studie entweder überhaupt keine oder nur leichte Einschränkungen der Gedächtnisleistung aufwiesen. Die Hälfte der Freiwilligen bekam über durchschnittlich sechs Jahre ein Ginkgo-Präparat des deutschen Herstellers Schwabe, die andere Hälfte ein unwirksames Scheinmedikament. Alle sechs Monate testeten die Wissenschaftler die Hirn- und Gedächtnisleistungen der Probanden. Dies sei die bisher größte und am längsten dauernde Untersuchung dieser Art, schreiben die Forscher.

In der Versuchsgruppe entwickelten nun 277 Probanden eine Demenzerkrankung, in der Kontrollgruppe waren es 246. Bei einem Großteil der Demenzen (mehr als 92 Prozent) handelte es sich sicher oder mit großer Wahrscheinlichkeit um Alzheimer. Ginkgo hatte das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, nicht gesenkt, folgern die Forscher. Auch bei Versuchspersonen, die zu Beginn bereits an leichten Einschränkungen der Gedächtnisleistungen litten, verhinderte oder verzögerte der Extrakt die Demenz nicht. Hersteller des verwendeten Präparates EGb 761 ist das Unternehmen Dr. Willmar Schwabe Arzneimittel (Karlsruhe), nach eigenen Angaben der weltweit führende Hersteller hochwertiger pflanzlicher Arzneimittel. In einer Stellungnahme heißt es, dass die Wirksamkeit von EGb 761 in der Behandlung von Alzheimer durch eine Reihe anderer klinischer Studien "bewiesen" sei.

Keine Empfehlung

Völlig ausgeschlossen ist eine positive Wirkung auch laut den Wissenschaftlern um DeKosky nicht. Da es sehr lange dauere, bis erste Veränderungen im Gehirn als Demenz offensichtlich würden, sei ein Effekt möglicherweise erst in einigen Jahren zu sehen. Sie wollen einen Teil ihrer Patienten deshalb weiter beobachten. Möglicherweise schade die Einnahme sogar, schreibt indes Lon Schneider von der University of Southern California (Los Angeles/US-Staat Kalifornien) in einem Kommentar zu der Untersuchung ("JAMA"). Patienten mit einer bestehenden Herzerkrankung, die Ginkgo-Präparate eingenommen hatten, hätten sogar ein leicht erhöhtes Risiko, eine Demenz zu entwickeln.

Außerdem kam es in der Placebo-Gruppe häufiger zu einer bestimmten Form des Schlaganfalls. Diese Daten seien statistisch nicht abgesichert, betont Schneider. Solange eine schädliche Wirkung aber nicht sicher ausgeschlossen sei, dürften die Präparate aufgrund einer ebenfalls nicht völlig auszuschließenden positiven Wirkung nicht empfohlen werden.

Quelle: ntv.de

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