Aktionsplan nötig Haie brauchen Schutz
04.02.2009, 16:27 UhrWas für ein Raubtier wäre der Hai an Land. Nachts sieht er doppelt so gut wie Katzen. Den Laut einer Beute kann er über hunderte Meter hinweg punktgenau orten. Selbst gut getarnte Opfer hätten keine Chance, weil er deren bioelektrische Aura zu erspüren vermag. Und mit einem natürlichen "Navi" in der Nase orientiert er sich an den Magnetfeldlinien der Erde und kann über tausende Kilometer punktgenau reisen. Doch all diese Sinne versagen im Überlebenskampf gegen einen noch größeren Räuber: 70 der knapp 500 Hai-Arten sind inzwischen wegen Überfischung bedroht. Die EU-Kommission will deshalb am Donnerstag einen Aktionsplan zum Schutz der Tiere beschließen.
Der Plan ist allerdings unverbindlich, enthält also nur Empfehlungen an die Mitgliedstaaten, sich mehr für den Schutz der Haie einzusetzen. Die Fische haben Schutz bitter nötig. Weltweit stirbt etwa alle drei Sekunden ein Hai, 100 Millionen sind es im Jahr. Nach Angaben aus Brüssel ist inzwischen ein Drittel aller in EU-Gewässern vorkommenden Hai-Arten überfischt.
Haifischflossen als Statussymbol
Dass Haie vom Aussterben bedroht sind, liegt allerdings auch an ihrer Biologie. Damit die Superräuber nicht die Ozeane leer fressen, hat Mutter Natur ihnen eine Populationsbremse eingebaut: Haie werden erst spät geschlechtsreif, manche Arten erst nach 15 bis 20 Jahren. Zudem dauert die Schwangerschaft mit bis zu dreieinhalb Jahren sehr lang. Und die Zahl der Nachkommen pro Geburt ist meist gering: Beim Sandtigerhai etwa sind es nur zwei.
Was den Haien das Überleben nach 400 Millionen Jahren nun besonders schwer macht, ist der Wert ihrer Flossen. In China gilt Haifischlossensuppe als "Pu", als "kräftigende Nahrung", gut bei Erkältung und das Immunsystem stärkend. Unter Mao Tse-tung noch bis Mitte der 80er Jahre als "Dekadenz der Kaiserzeit" verboten, wurde der Konsum der geschmacklosen Flossenknorpel unter wohlhabenden Chinesen seitdem zum Statussymbol. Bis zu 100 Euro kostet eine Schale der Brühe und mehr als 1250 Euro ein Set aus vier getrockneten Flossen bestimmter Hai-Arten auf dem Markt von Hongkong, dem Mekka des Flossenhandels.
Das barbarische Geschäft, bei dem Haien oftmals die Flossen bei lebendigem Leib abgetrennt und die verstümmelten Tiere nach diesem so genannten Finning für einen qualvollen Tod ins Meer geworfen werden, bringt weltweit nach Schätzung der Meeresschutzorganisation Oceana etwa 16 Milliarden Euro im Jahr. Dabei mischen auch europäische Fangflotten kräftig mit, allen voran Spanien und Frankreich. Laut Oceana war Spanien im Jahr 2005 mit 2,2 Millionen Kilo getrockneter Flossen nach China der zweitgrößte Belieferer des Marktes von Hongkong.
Kalbsfisch gibt es nicht
Europäische Gaumen bevorzugen dagegen nicht die Flossen, sondern das Fleisch der Haie. Spanien und Frankreich versorgen auch diesen Markt gut. Nach Angaben der UN-Ernährungsorganisation (FAO) sind allein diese beiden Länder mit knapp 60.000 Tonnen im Jahr für etwa zwei Drittel aller EU-Haifänge verantwortlich.
Den Konsumenten wird die Herkunft des Fleisches oft mit Fantasiebezeichnungen verschleiert. Statt "Dornhai" oder "Heringshai" kaufen ahnungslose Hausfrauen real nicht existierenden "Kalbsfisch", "Karbonadenfisch", "See-Aal", "See-Stör" oder gar "Schillerlocken": Dabei handelt es sich um das Bauchfleisch des Dornhais, das sich beim Räuchern wie eine Schillerlocke zusammendreht.
Der EU-Plan empfiehlt nun unter anderem strengere Maßnahmen gegen das Finning sowie ein völliges Fangverbot für Dornhai und Heringshai ab 2010. Dass die EU-Fangflotten freiwillig auf Millionenprofite verzichten, ist allerdings nicht zu erwarten. Umweltschutzorganisationen empfehlen deshalb Verbrauchern den konsequenten Verzicht auf alle Haiprodukte. Dafür spricht auch die extrem hohe Belastung der Fische mit dem Nervengift Methylquecksilber. Sie lag in einer Studie des Mainzer Wissenschaftlers Klaus Heumann um bis zum 60-fachen über der international gültigen Gefahrengrenze.
Von Jürgen Oeder, AFP
Quelle: ntv.de