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Tod auf dem Rasen Herztod durch Genfehler

Es war ein kleiner Schock für die Fußballwelt, als der Kameruner Marc-Vivien Fo 2003 beim Konföderationenpokal in Frankreich zusammenbrach und an Herzversagen starb. Fo war erst 28 Jahre alt. Er ist nur einer von mindestens zwölf Profi-Fußballern weltweit, die in den vergangenen fünf Jahren durch rätselhafte Herzattacken auf dem Spielfeld ums Leben kamen. Ärzte der Berliner Charit und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin haben nun eine Gen-Mutation entdeckt, die auch bei Leistungssportlern den plötzlichen Herztod auslösen kann. Sie raten deshalb vor Wettkämpfen zu genauen Herzuntersuchungen bei Sportlern - auch vor der Fußball- Europameisterschaft, die an diesem Samstag beginnt.

Es ist ein tückischer kleiner genetischer Fehler, den der Berliner Charit-Arzt Christian Geier und Kollegen in einem Erbgutvergleich innerhalb einer großen Familie identifiziert haben. Diese Gen- Mutation führt zu einer Verdickung der Herzwände (hypertrophe Kardiomyopathie). Erkrankte hätten aber oft gar keine Beschwerden wie Herzstechen oder Atemnot, berichtete der Wissenschaftler. "Auch Sportler merken häufig nichts von ihrer Erkrankung." Dennoch seien sie gefährdet, plötzlich tot umzufallen. Die Forscher nehmen an, dass ein Drittel bis die Hälfte aller Fälle von plötzlichem Herztod bei Sportlern - von Fußballprofis bis zu Marathonläufern - auf eine erbliche Herzmuskelverdickung zurückzuführen ist.

Noch immer ein Rätsel

Obwohl bisher bereits zehn andere Gene identifiziert wurden, in denen kleine Fehler eine Herzwand-Verdickung auslösen, steht die Forschung noch immer vor einem Rätsel: Durch welchen Mechanismus führt ein veränderter genetischer Bauplan zu dieser fatalen Verdickung? Geier hofft, dass die Funktion des nun identifizierten Gens bei der Entdeckung des Mechanismus weiterhelfen kann.

Der Charit-Arzt beschreibt die Funktion eines Gens wie die eines Kochbuchs, nach dessen Anleitung im Körper wichtige Zellbestandteile, Proteine, hergestellt werden. "Die Gen-Mutation ist wie ein Druckfehler in diesem Kochbuch", sagte er. Die Forscher konnten herausfinden, dass dieser Druckfehler zu einem falsch gestalteten Protein führt, das von der "Müllabfuhr" der Muskelzellen sofort entsorgt wird. Die Folgen im Herzen sind zu dicke Wände mit knäuelartig verschlungenen Herzmuskelfasern. Es entsteht auch ein Muskelbild, das von Bindegewebe und Narbensträngen durchzogen wird. "Das sieht aus wie ein zähes Schnitzel", erläuterte Geier.

Auch die elektrischen Leitungen im Herzen können von diesem Phänomen betroffen sein. Wenn bei Leistungssportlern dann noch ein relativer Blutmangel im Herzen durch maximale körperliche Anstrengung hinzukommt, kann es zu einer Art Kurzschluss im System kommen: Kammerflimmern. Diese lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung kann auf dem Fußballfeld nur durch die Stromstöße eines Defibrillators bekämpft werden - sonst ist der Tod schneller.

Gründliche Herzuntersuchungen vor Wettkämpfen

Charit-Arzt Geier hat deshalb an die sportmedizinische Kommission des Weltfußballverbandes FIFA geschrieben und nach Herzuntersuchungen für Spieler gefragt. Er erhielt eine beruhigende Antwort. Bereits vor der Fußball-WM 2006 sei allen offiziellen Spielern eine ausführliche Herzuntersuchung empfohlen worden. Die große Mehrheit der Teams habe diese Kontrollen auch wahrgenommen, heißt es im Schreiben der FIFA-Kommission von Ende Mai.

Doch auch bei Familien, in denen Fälle von plötzlichem Herztod vorkamen, rät Geier allen Angehörigen ersten Grades zu Untersuchungen in spezialisierten Herzzentren. Denn der entdeckte Gen-Fehler werde dominant vererbt - rund die Hälfte der Kinder von Betroffenen bekommen auch diesen Herzfehler. Verdickte Herzwände können Kardiologen zum Beispiel bei einer Ultraschall-Untersuchung des Herzens feststellen. Geier vermutet, dass in Deutschland jeder 500. Einwohner eine Gen-Mutation in sich hat, die zu verdickten Herzwänden führen kann. "Das ist viel für eine genetische Erkrankung", sagte er.

Helfen kann den Erkrankten ein eingepflanzter Defibrillator. Doch längst nicht alle Betroffenen hätten auch ein besonders hohes Risiko für einen plötzlichen Herztod, schränkt der Mediziner ein. "Einige merken nie etwas davon." Dennoch rät er jedem Betroffenen von Wettkampfsport ab.



Ulrike von Leszczynski, dpa

Quelle: ntv.de

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