Viel weniger als bisher gedacht Jeder bekommt Mutationen
14.06.2011, 09:30 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Bisher rechneten Forscher damit, dass jedes Kind bis zu 200 neue Mutationen von seinen Eltern vererbt bekommt. In einer neuen Untersuchung können Wissenschaftler feststellen, dass es wesentlich weniger sind - nämlich durchschnittlich 30 vom Vater und 30 von der Mutter.
Jeder Mensch erhält im Durchschnitt etwa 60 neue Mutation von seinen Eltern – je 30 von Vater und Mutter. Diese Zahl haben britische und kanadische Genetiker erstmals aus den Gendaten zweier Familien mit Vater, Mutter und jeweils einem Kind herausgelesen. Es sei die erste Studie, die die Zahl der Mutationen direkt gemessen habe, teilen die beiden Forschergruppen mit. Die Untersuchung erscheint im Journal "Nature Genetics".
Das Team um Matt Hurles vom Wellcome Sanger Institute im britischen Hinxton stützt sich auf die Daten des 1000-Genom-Projektes, das die komplette Erbsubstanz von 1000 Menschen liest und Wissenschaftlern zur Verfügung stellt. Unter den Probanden sind auch Familien. Der Vergleich dieser Informationen soll unter anderem die feinen, aber folgenreichen Varianten im Erbgut aufdecken. Unter neuen Mutationen verstehen die Forscher solche, die in der Eizelle oder den Spermien entstehen und damit neu an die Nachkommen weitergegeben werden.
Evolution wahrscheinlich viel langsamer
Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass es bei der Weitergabe der Erbinformation an die Kinder zu 100 bis 200 Mutationen kommt. Die neuen Zahlen sind deutlich niedriger. Daher werden die Forscher nun unter anderem die Zahl der Generationen neu kalkulieren, die uns von den Affen trennt, erklärte die beteiligte Universität Montreal mit: "Die Evolution trägt sich ein Drittel langsamer zu als angenommen", hieß es beim kanadischen Co-Autor Philip Awadalla.
Das 1000-Genom-Projekt lieferte die Abfolge der rund 3,2 Milliarden genetischen Bausteine eines jeden Familienmitgliedes. Computerprogramme filtern bei der Analyse jene Bausteine heraus, die bei den Kindern neu vorkommen.
Das Team hatte unter anderem erwartet, dass die Mehrzahl der Mutationen vom Vater weitergegeben wird. Denn: Zu Mutationen kommt es vor allem bei Zellteilungen, und diese sind vor allem bei der Produktion hunderter Millionen Spermien häufig. Unbefruchtete weibliche Eizellen teilen sich im Körper hingegen nicht. Die Ergebnisse überraschten: In einem Fall kamen zwar 92 Prozent der Mutationen vom Vater, im zweiten waren es nur 36 Prozent. Mit dem nun beschriebenen Verfahren lassen sich weitere Familien untersuchen, um statistisch besser gesicherte Daten zu gewinnen.
Quelle: ntv.de, dpa