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Neue Wege in der Aids-Prävention Kondome für Frauen schützen

Washington gilt als Aids-Hauptstadt. Rund drei Prozent der Bevölkerung sind mit dem HI-Virus infiziert. Mit 500.000 Kondomen für die Frau will die Stadt diesen traurigen Trend stoppen.

Auf die Frauen setzt nun die Gesundheitsbehörde von Washington.

Auf die Frauen setzt nun die Gesundheitsbehörde von Washington.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

"Es quietscht zwar ein wenig, doch es schützt." Katia Pitts steht gut gelaunt vor einer kleinen Gruppe in einem Gesundheitszentrum in Washington und wedelt mit einem Frauen-Kondom. Seit Jahren auf dem Markt, hat es die US-Metropole nun für sich entdeckt - als Waffe: Die mächtigste Stadt der Welt hat eine höhere HIV-Infektionsrate als manches Entwicklungsland. Drei Prozent der Bewohner sind mit dem HI-Virus infiziert. Als erste Stadt in Amerika hat Washington daher eine Offensive gestartet: Sie bringt eine halbe Million Kondome an die Frau.

"Wenn euer Partner sich nicht schützen will - ihr könnt es", beschwört Pitts ihre Zuhörerinnen, die sich im christlichen Calvary-Gesundheitszentrum eingefunden haben. Gekicher tönt durch das karge, Neonlicht-erleuchtete Schulungszimmer, als die junge Frau das Gummimodell eines weiblichen Unterkörpers auf den Tisch stellt, um daran das Frauenkondom zu demonstrieren: ein rund 18 Zentimeter langer Kunststoffschlauch, der an beiden Enden mit zwei Ringen ausgestattet ist. Der innere am geschlossenen Ende wird wie ein Pessar in die Scheide eingeführt.

"Setzt den Gummiring auf und führt das Kondom in die Vagina", erklärt Pitts anhand des neuesten Modells. "Es hat den Vorteil, dass es wesentlich leiser ist als sein Vorgängermodell", lacht sie den Frauen zu. "Wenn ihr mit einem HIV-positiven Partner schlaft und dieses Kondom benutzt, dann sinkt eure Ansteckungsgefahr um 90 Prozent."

Ansteckungsrate erschreckend hoch

Sie ist in diesem östlichen Teil Washingtons besonders hoch. Hier leben die Ärmeren. Weiße verirren sich selten dorthin. "Wir sind gleich zweimal Spitzenreiter" sagt Pitts den Frauen, die wegen ihrer Drogenvergangenheit als Risikogruppe gelten. "Washington führt das Land mit seiner HIV/Aids-Rate an - und dort wiederum führen die Afroamerikaner."

Vor allem schwarze Frauen werden bei der Aktion angesprochen.

Vor allem schwarze Frauen werden bei der Aktion angesprochen.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Nach einer Studie aus dem Jahr 2008 ist Aids dort unter schwarzen Frauen zwischen 25 und 34 Jahren Todesursache Nummer eins. Drei von Hundert Hauptstadtbewohnern tragen das Virus in sich. Damit, betont die Gesundheitsbehörde der Stadtverwaltung, zieht die Hauptstadt gleich mit manchen Teilen Afrikas südlich der Sahara - der am schlimmsten betroffenen Region der Welt.

Armut, Drogen und Sex

"Die Rate unter schwarzen Männern ist besonders hoch: 6,5 Prozent!", sagt Pitts. Die alarmierenden Zahlen haben nach Einschätzung ihrer Chefin Nannie Johnson mehrere Gründe. "Es gibt viel Armut, Drogen und auch freizügigen Sex mit wechselnden Partnern", meint sie. Komplette Familien sind unter Afro-Amerikanern laut US-Statistik eine Rarität: Weit über die Hälfte der schwarzen Kinder wachsen mit einem Elternteil auf, meistens mit der Mutter. Präsident Barack Obama hat bereits mehrfach an schwarze Väter appelliert, ihrer Rolle doch gerechter zu werden.

Eine rieisige Aids-Schleife am Nordeingang des Weißen Hauses.

Eine rieisige Aids-Schleife am Nordeingang des Weißen Hauses.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

"Jede in diesem Raum kann es treffen", mahnt Pitts angesichts der hohen Infektionsrate. Die, fürchtet Shannon Hader von der Gesundheitsbehörde, könnte tatsächlich noch weit höher liegen als die Statistik verrät. Nicht jeder Angesteckte lasse sich schließlich testen. Verhaltensstudien in der US-Hauptstadt haben zumal gezeigt, dass mehr als 70 Prozent der Männer in den besonders betroffenen Gebieten Kondome ablehnen.

Hoffnung liegt bei den Frauen

Daher setzt die Behörde nun auf die Frauen - und deren Kondom. Es ist das einzige weibliche Verhütungsmittel, das zugleich einen Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten bietet. In über 100 Ländern weltweit ist es zu haben - entweder im Laden oder durch Gesundheitsprogramme. Nicht überall wird es laut UN- Studien angenommen, zumal das Frauenkondom in einigen Ländern, etwa in Uganda, fast zehnmal soviel kostet wie eines für den Mann.

Die Washingtoner Gesundheitsbehörde hat sich mit verschiedenen Aids- und Gesundheitsinitiativen zusammengetan. Mit einer Spende von 500.000 Dollar (rund 400.000 Euro) des MAC-AIDS-Fonds erwarb die Stadt Berge von Kondomen zum Discountpreis, um sie unters Volk zu bringen.

Zahlreiche Highschools, Schönheits- und Friseursalons haben sich der Initiative angeschlossen. Drogeriemarktketten verkaufen die eigentlich kostspieligeren Frauenkondome zum Sonderpreis. Und Heerscharen von geschulten Gemeindearbeitern verteilen die Gummis. "Wir wollen nicht, dass Washington die Nummer Eins bleibt. Wir wollen nicht, dass Afro-Amerikaner die Nummer Eins bleiben!", appelliert Pitts an ihre Zuhörerinnen. "Zeigt den Männern also, wie es geht!"

Quelle: ntv.de, Antje Passenheim, dpa

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