Auf Kosten der anderen Konsum zerstört die Erde
13.10.2010, 17:03 Uhr
Selbst bei moderatem Wachstum der Bevölkerung und deren Konsum benötigt die Menschheit laut Report schon im Jahr 2030 zwei Planeten, um mit dem Verbrauch natürlicher Rohstoffe Schritt zu halten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Setzt sich der Trend fort, konsumiert der Mensch im Jahr 2030 zwei Planeten jährlich. Zu diesem Ergebnis kommt der WWF im aktuellen "Living Planet Report". Der Bericht gibt Auskunft über den Gesundheitszustand der Erde. Und der ist alarmierend.
Eine Milliarde Menschen haben keinen ausreichenden Zugang zu Trinkwasser, die Artbestände in den Tropen sind seit 1970 um 60 Prozent geschrumpft und 70 Prozent aller Fischbestände sind von Überfischung bedroht. Das geht aus dem Bericht der Umweltstiftung WWF hervor, der in Berlin und weltweit vorgestellt wurde. Der sogenannte "Living Planet Report" gibt seit 1998 Auskunft über den Gesundheitszustand der Erde und greift dabei auf Vergleichsdaten bis 1970 zurück.
Jährliche Biokapazität deutlich überschritten
WWF-Vorstand Eberhard Brandes stellte den Bericht in einem Berliner Kaufhaus vor "um auf den für die Zerstörung der Natur maßgeblich verantwortlichen Konsum aufmerksam" zu machen. Würde die Erde naturverträglich und gerecht aufgeteilt, bekäme jeder Mensch eine Nutzfläche von etwa 1,8 globalen Hektar (gha). Seit den 1970er Jahren jedoch überschreitet die Menschheit die jährliche Biokapazität der Erde deutlich und braucht durchschnittlich 2,7 gha pro Kopf. Der ökologische Fußabdruck ist damit 1,5 Mal so groß wie er bei einem naturgemäßen Verbrauch sein dürfte.
Auf besonders großem Fuß leben die Vereinigten Arabischen Emirate mit über 10 gha pro Kopf, gefolgt von Dänemark, Belgien und den USA. Deutschland liegt mit etwa 5 gha im Mittelfeld. Osttimor, Bangladesch und Afghanistan bilden mit rund 0,5 gha die Schlusslichter. Umgelegt auf den Planeten, konsumiert der Mensch bereits die Biokapazität von 1,5 Planeten jährlich. Setzt sich der Trend fort, konsumiert der Mensch im Jahr 2030 laut WWF zwei Planeten jährlich. Dabei leben die Industriestaaten auf Kosten der Entwicklungs- und Schwellenländer.
Dramatischer Rückgang der Artbestände
Das macht sich auch in der Entwicklung der Artenvielfalt bemerkbar, die der WWF im "Living Planet Index" wiedergibt. Während die Umweltschützer in den tropischen Zonen seit 1970 einen dramatischen Rückgang der Artbestände von 60 Prozent beobachten, hat der Index für die gemäßigten Breiten um 29 Prozent zugenommen. Insgesamt berechnen die Umweltschützer einen Verlust von 30 Prozent.
Die positive Entwicklung in den Industrieländern sei darauf zurück zu führen, dass die Ausgangszahlen der Arten niedrig waren, aber auch auf Schadstoffkontrolle, Waldschutz und Ausweisung von Naturschutzgebieten. So seien in den gemäßigten Breiten etwa Seeadler und Fischotter wieder im Aufschwung. Andere Arten wie Kampfläufer und Regenpfeifer, seien jedoch nach wie vor stark gefährdet.
Wohlstand muss neu definiert werden
In den tropischen Gebieten sieht es ganz anders aus: Im Indopazifik sank die Artenvielfalt seit 1970 um 66 Prozent, in Südamerika um 55 Prozent. Wie zum Beweis hält Eberhard Brandes ein aktuelles Bild einer Fotofalle aus dem tropischen Sumatra in der Hand. Es zeigt die Stelle, wo Forscher in einem Regenwaldschutzgebiet mit einer Standkamera einen Tiger aufnehmen wollten. Anstelle des Tigers knipste sie jedoch einen Bulldozer.
"Wir befinden uns auf einem Weg der nicht zukunftsweisend ist", resümiert Brandes. Er fordert ein Umdenken, weg vom unbegrenzten Wachstum und hin zur nachhaltigen Nutzung. Im Hinblick auf den viel zu großen ökologischen Fußabdruck der Industrieländer sei eine "neue Definition von Wohlstand längst überfällig". Den Umweltschützern zufolge sind die fundamentalen Herausforderungen die ständig wachsende Erdbevölkerung mit Nahrung und Energie zu versorgen und die vorhandenen Rohstoffe gerecht aufzuteilen. Die UN-Konferenz zur Artenvielfalt, die am kommenden Montag in Japan beginnt, könnte hierfür erste und ernsthafte Zeichen setzen.
Quelle: ntv.de, Anna Martinsohn, dpa