Küstenwälder in Not Mangroven verschwinden schneller
01.08.2010, 15:20 Uhr
An der Grenzlinie zwischen Land und Wasser: Mangroven.
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
Mangroven sind nützlich, versorgen das Meer mit wertvoller Fischbrut. Obwohl intakte Wälder auf Dauer mehr Geld einbringen als der Raubbau an ihnen, werden sie weltweit abgeholzt.
Die als Kinderstube vieler Meerestiere dienenden Mangrovenwälder werden drei- bis viermal schneller abgeholzt als die Wälder auf dem Land. Das berichten die Vereinten Nationen in einer großen Bestandsaufnahme zu den Küstenwäldern. Demnach ist seit 1980 etwa ein Fünftel der Mangroven verschwunden, heißt es in dem "Weltatlas der Mangroven". Zwar nehme die Verlustrate derzeit jährlich um 0,7 Prozent ab, das reiche aber bei weitem nicht aus, schreiben die Autoren. Sie warnen sowohl vor den ökologischen als auch den finanziellen Konsequenzen.
Eines der stärksten Argumente für den Erhalt der im Wasser wurzelnden Bäume und Büsche ist demnach tatsächlich das Geld. Jeder Hektar erwirtschafte jährlich zwischen 2000 und 9000 US-Dollar, etwa, indem die dort aufwachsenden Fische später gefangen und gekauft werden können. Diese "Dienstleistung" des Ökosystems wiege höher als der kurzfristige Gewinn durch den Kahlschlag und der Aufzucht von Shrimps in den so geschaffenen flachen Becken entlang der Küste. Nach dieser Nutzung blieben eine zerstörte Umwelt und Armut zurück, während einige Kilometer weiter wieder die Axt angelegt wird.
Virtuelles Preisschild
Im Jahr 2008 hatten Meereskundler um Octavio Aburto-Oropeza von der Scripps Institution of Oceanography in La Jolla in Kalifornien ein virtuelles Preisschild an die schrumpfenden Mangrovenwälder der mexikanischen Pazifikküste geheftet. Pro Jahr bringt jeder Hektar alleine den Fischern der Region einen Wert von jährlich rund 37.500 Dollar. Die flachen Mangrovenwälder filtern das Wasser, bieten vielen Fischen Laichplätze und den Fischlarven Schutz. So füllen die oft nur fünf bis zehn Meter breiten Mangrovenstreifen direkt an der Grenze zwischen Wasser und Land viele jener Verluste wieder auf, für die Fischer mit ihren Netzen und Touristen mit den Angeln verantwortlich sind.
Noch gar nicht in diese Rechnung eingegangen sind zusätzliche Gewinnmöglichkeiten etwa durch den Ökotourismus in die einzigartigen, an seltenen Tieren und Pflanzen reichen mexikanischen Mangrovenwälder, berichten die Forscher. Die Gruppe hatte 13 Mangrovenregionen entlang des Golfs von Mexiko untersucht. Diese Meeresbucht wird von einer langen Landzunge entlang der Pazifikküste gebildet. Für die Studie wurden Zahl und Wert der angelandeten Fische und Krabben zwischen 2001 und und 2005 ausgewertet. Nachzulesen ist das in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften ("PNAS").
Ermutigende Zeichen
Inzwischen, so heißt es nun in dem neuen Atlas weiter, gibt es aber einige ermutigende Anzeichen. Auf 400.000 Hektar gebe es Wiederaufforstungsbemühungen einiger Länder. Diese wollten sowohl vom Flutschutz, der Fisch-Kinderstube als auch der CO2-Speicherfunktion der "Wasserwälder" profitieren. "Wissenschaft und Ökonomie können gemeinsam für eine Veränderung sorgen", erklärte der Chef des UN-Umweltprogramms UNEP, Achim Steiner. "Etwa 1200 Schutzgebiete bewahren heute rund ein Viertel der verbliebenen Mangroven."
Hauptautor des neuen Buches ist Mark Spalding, Meereswissenschaftler der Organisation "The Nature Conservancy". "Mangrovenwälder sind ein schlagendes Beispiel dafür, warum der Mensch die Natur braucht", erklärte er. Die Bäume lieferten hartes, verrottungsresistentes Holz, eine der besten Kohlen der Welt, sorgten für eine hohe Produktivität der umliegenden Gewässer und schützten die Küsten vor den Folgen von Stürmen und Tsunamis.
11 der 70 Mangrovenarten sind vom Aussterben bedroht, berichtet die Weltnaturschutzunion IUCN. "Einige Arten haben ein hohes Aussterberisiko und könnten innerhalb der nächsten Dekade verschwinden, wenn die bestehenden Schutzmaßnahmen nicht durchgesetzt werden", schreibt Beth Polidoro vom IUCN-Artenprogramm. Die Forscherin arbeitet an der Old Dominion University in Norfolk in Virginia und veröffentlichte ihre Warnung im April im Journal "PloS One". Demnach bringen die Wälder dem Menschen einen sogenannten "Ökosystem-Nutzen" in Höhe von mindestens 1,6 Milliarden Dollar jährlich.
"Kritisch gefährdet"
Zu den beiden am stärksten bedrohten Arten gehört Sonneratia griffithii, die in Indien und Malaysia vorkommt. Die Pflanze ist auf der Roten Liste unter der Kategorie "kritisch gefährdet" geführt. Aus Indien sind nur noch 500 Exemplare bekannt, in vielen Regionen sind die Pflanzen bereits verschwunden. Im Fall der Mangrovenart Bruguiera hainesii sieht es noch düsterer aus. In Indonesien, Malaysia, Thailand, Myanmar, Singapur und Papua-Neuguinea sind insgesamt noch 250 vermehrungsfähige erwachsene Pflanzen geblieben. Dies ist nahe der unteren Grenze dessen, was eine Art überhaupt ertragen kann: Die genetische Vielfalt ist dann stark eingeschränkt.
Global gesehen gibt es auf dem philippinischen Archipel die größte Artenvielfalt. In der Region wachsen zwischen 36 und 46 Prozent der bekannten 70 Arten. In dieser Region gibt es zudem die größte Verlustrate – fast ein Drittel sind hier sei den 1980er Jahren verloren gegangen. Besonders schlimm ist die Lage der Mangroven zu beiden Seiten der schmalen Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika. Hier fallen zwischen 15 und 40 Prozent aller Arten in die Kategorien "kritisch bedroht", "bedroht" oder "verletzlich".
Quelle: ntv.de, Thilo Resenhoeft, dpa