Erfolgreiches Experiment Medikament erreicht Netzhaut
19.10.2009, 10:23 Uhr
Forscher erhoffen sich irgendwann eine Anwendung des Verfahrens am menschlichen Auge.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Forscher haben im Tierversuch erstmals einen Weg gefunden, die extrem gut abgeschirmte Netzhaut mit einem Medikament zu versorgen.
Dafür musste das Team um Matthew Campbell vom Trinity College in Irlands Hauptstadt Dublin die innere Auskleidung der Blutbahnen der Netzhaut (Retina) für eine Weile lockern. So entstanden winzige Öffnungen, durch die ein Wirkstoff aus dem Blut bis zur Retina vordrang. Dies ist unter normalen Umständen nicht möglich: Zwischen Blut und Netzhaut bilden die Zellen eine fast undurchdringliche Barriere. Die Resultate sind in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften ("PNAS") nachzulesen.
Damit schützt der Organismus eines seiner wichtigsten Sinnesorgane: Die Retina empfängt das von der Linse gebündelte Licht und setzt es in einen elektrischen Strom um, der im Hirn zum Bild der Umgebung zusammengesetzt ist. Krankheitserreger, Immunzellen, Antikörper oder Gifte sollen so gut wie möglich von diesem lebenswichtigen Lichtsinn ferngehalten werden. Diese Abschottung ist unter dem Namen Blut-Retina-Schranke bekannt. Etwas ähnliches gibt es im Hirn (Blut-Hirn-Schranke).
Extrem dichter Zusammenhalt
Die Zellen der winzigen Blutadern, die die Retina mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen, hängen durch spezialisierte Moleküle sehr fest zusammen. Der extrem dichte Zusammenhalt ("tight junction") lässt nichts passieren. Daran beteiligt ist unter anderem das Protein Claudin-5. Das Ziel von Campbell und seinen Kollegen war die Schwächung dieses Zusammenhaltes – damit ein Wirkstoff passieren kann. Für die Experimente wurden Versuchsmäuse gewählt, die an einer Augenkrankheit leiden. Dieses entspricht der Retinitis pigmentosa (RP) beim Menschen, der Netzhautdegeneration, bei der die Photorezeptoren zerstört werden.
Den Mäusen wurden winzige, maßgeschneiderte Schnipsel aus der Erbsubstanz RNA verabreicht. Diese waren so gewählt, dass sie die Bauanleitungen für Claudin-5 zerstörten. Dieses im Labor verbreitete Verfahren trägt den Namen RNA-Interferenz ("RNAi"). Damit nahm die Zahl der Claudin-5-Moleküle und so der Zusammenhalt der tight junctions ab. Die so veränderten feinen Blutäderchen ließen – wie gewünscht – ein ins Blut der Tiere injiziertes Medikament passieren. Die Substanz verringerte die Rate, mit der die Retinazellen in den kranken Mäusen starben, schreibt die Gruppe in "PNAS". Als Vergleich dienten kranke Mäuse, bei denen der Zusammenhang der Zellen nicht gelockert wurde.
Das experimentelle Verfahren könne dabei helfen zu klären, ob ein solcher Ansatz auch bei anderen Augenkrankheiten helfe, ergänzt Campbell. Womöglich ließe es sich eines Tages auch beim Menschen anwenden.
Quelle: ntv.de, dpa