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Neue Arzneistudien Mehr Sicherheit für Kinder

Selbst für viele Eltern dürfte es eine Überraschung sein: Etwa die Hälfte aller Präparate, die kranke Kinder erhalten, sind nicht speziell für diese Altersgruppe geprüft und zugelassen. Das soll eine neue europäische Verordnung gründlich ändern, die an diesem Freitag (26. Januar) in Kraft tritt. Demnach muss künftig genau geprüft werden, ob neue Wirkstoffe auch für Kinder einen Nutzen haben. Dafür zuständig ist der neue Pädiatrie-Ausschuss der Europäischen Zulassungsbehörde (EMEA) in London.

Die Verordnung will zudem unnötige und wenig aussagekräftige Studien an Kindern verhindern. Auch soll die Transparenz von noch laufenden oder noch nicht veröffentlichten Kinderarzneimittelstudien sichergestellt werden. Außerdem will die EU Geld für die Entwicklung kindgerechter Prüfmethoden zahlen. Und schließlich gibt es finanzielle Anreize für die Pharmahersteller.

"Alle diese Maßnahmen werden zweifelsohne die Arzneimittelsicherheit und den Schutz unserer Kinder vor vermeidbaren Schäden erhöhen", sagte der Vorsitzende der Kommission für Arzneimittelsicherheit im Kindesalter der Deutschen Gesellschaft für Kinder-und Jugendmedizin, Prof. Hannsjörg Seyberth, am Donnerstag in Berlin.

Auch Ärzten soll die neue Verordnung helfen. Die sehen sich immer wieder vor ein Problem gestellt: Sie dürfen kleinen Patienten zwar Präparate verabreichen, die nur an Erwachsenen getestet wurden. Damit gehen sie aber das Risiko unerwünschter und eventuell gefährlicher Nebenwirkungen ein. Verzichten sie hingegen auf das Medikament, enthalten sie Kindern und Jugendlichen möglicherweise ein helfendes Mittel vor und können sich schlimmstenfalls der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen.

Dabei sind Erwachsenen-Medikamente für Kinder nicht grundsätzlich ungeeignet. Das Problem besteht vielmehr darin, die für Kinder optimale Dosis herauszufinden. Die kann nicht einfach vom Bedarf eines Erwachsenen auf das Körpergewicht von Kindern heruntergerechnet werden, da ihr Stoffwechsel oft anders arbeitet. Die Leber zum Beispiel besitzt in Abhängigkeit vom Alter teils unterschiedliche Enzyme, die Medikamente umwandeln und abbauen. Dies muss bei der Dosisberechnung berücksichtig werden.

"Am schlimmsten ist es in der Neonatologie", sagte Seyberth auf einem Expertentreffen in Berlin. "Dort werden bis zu 90 Prozent der Präparate außerhalb ihrer Zulassung eingesetzt." Eigens für Kinder zugelassene Arzneimittel fehlen darüber hinaus besonders bei schweren Erkrankungen: Asthma, Rheuma, Krebs oder Herzproblemen. Weitere Probleme gibt es im Detail: Große Tabletten sind für Säuglinge schlichtweg ungeeignet, bitter schmeckende Medizin ist den meisten Kindern höchstens unter größtem Zureden einzuflößen.

Für die bislang vielfach zögerliche Aktivität der Pharmaindustrie auf dem Gebiet Kindermedizin gibt es eine einfache Erklärung: Klinische Studien sind aufwendig und teuer. Bei Kinderarzneien kommt hinzu, dass für ein und dasselbe Präparat mitunter mehrere Studien vorgenommen werden müssen, da unterschiedliche Altersgruppen getrennt getestet werden müssen. Die Gewinnaussichten hingegen sind angesichts der vergleichsweise geringen Patientenzahlen eher niedrig. Die erhöhten Belastungen der Pharmaforscher sollen mit der neuen Verordnung nun durch finanzielle Anreize abgefangen werden: Sie erhalten für jedes neu getestete Kindermedikament einen um sechs Monate verlängerten Patentschutz.

"Dank des Rahmens, den die neue europäische Verordnung schafft, werden forschende Pharmaunternehmen erheblich mehr Medikamente für Kinder und Jugendliche entwickeln können", hieß es am Donnerstag beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) in Berlin. Heute brächten die Mitgliedfirmen des Verbands jährlich rund 20 Arzneimittel für Kinder heraus -in wenigen Jahren könnten es nach VFA-Schätzungen drei Mal so viele sein.

(Anja Garms, dpa)

Quelle: ntv.de

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