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Zoo und Tierpark Moderne Archen

Seit mehr als 30 Jahren gilt die Soccorotaube als ausgestorben, aber vielleicht könnte sie schon bald wieder auf ihren Heimatinseln im Ostpazifik gurren - dank eines grenzüberschreitenden Zuchtprogramms. In europäischen Zoos leben heute wieder rund 600 dieser Vögel. "Das Ziel ist ganz klar: Die sollen wieder ausgewildert werden", sagt Vogelkurator Stefan Stadler vom Frankfurter Zoo. Er führt im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) das Zuchtbuch der Population und ist damit für ihr Überleben verantwortlich.

170 Tierarten sind inzwischen in das EEP aufgenommen worden, fast ebenso viele sind im Europäischen Zuchtbuchprogramm (ESB) für weniger gefährdete Arten. In den Zuchtbüchern ist jedes Tier einer Population genau erfasst: "Zu Beginn steht eine Jahresübersicht über die Geburten, dann folgen Transfers, die Todesfälle und der aktuelle Bestand", erläutert Rüdiger Dmoch, der Säugetierkurator des Frankfurter Zoos. "Wichtig ist, dass jedes Tier genau gekennzeichnet ist."

Nur dann können die Kuratoren gute Arbeit leisten. Ihre Aufgabe ist es, die Tiere so zu paaren, dass möglichst viele Gene einer Art erhalten bleiben. "Haustierzüchter selektieren ganz gezielt nach bestimmten Merkmalen wie Größe, Milchleistung oder Farbe. Erhaltungszüchter von Wildtieren oder seltenen Haustieren dagegen versuchen, den genetischen Bestand möglichst breit zu erhalten", erklärt Stadler. Dafür sollten die Tiere möglichst gar nicht oder nur entfernt miteinander verwandt sein.

Um den Bestand durchzumischen und zu verhindern, dass etwa der Vater die Tochter deckt, nehmen die Zoos beträchtliche Kosten und Mühen auf sich. Geeignete Partner müssen zusammengebracht werden und dafür oft Hunderte Kilometer reisen. "Der Transport ist immer eine Belastung für die Tiere, und immer auch ein Risiko", sagt Stadler. Der stressigste Moment sei der Umzug in die speziell angefertigte Kiste, die mehrere tausend Euro kosten kann. Nashörner freunden sich erst nach wochenlangem Training mit ihrem Flugcontainer an, Giraffen reisen in Spezialtransportern mit hydraulisch ausfahrbarem Dach. "Wenn es wieder dunkel ist, Ruhe einkehrt und das gleichmäßige Geruckel der Fahrt beginnt, beruhigen sich die Tiere sehr schnell wieder."

Zahlen müssen die Zoos im Normalfall nur für die Anreise ihrer Neuzugänge. "Die meisten Tiere gehen als Geschenk hin und her, weil es für viele Arten gar keine Marktpreise gibt", erzählt Stadler. Mehr als 300 europäische Zoos und Aquarien haben sich inzwischen zusammengeschlossen, um Arten zu erhalten und sie wieder an ein Leben in der Freiheit zu gewöhnen. Das geht aber nicht überall, auch wegen politischer Verhältnisse: "Der mesopotamische Damhirsch lebt an der Grenze vom Iran zum Irak. Da ist kein Auswilderungsprogramm möglich", berichtet deren Kurator Thomas Kauffels, der Direktor des Opel-Zoos in Kronberg ist.

Trotz aller Probleme hält auch die Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) die Zucht in den Zoos für sinnvoll und notwendig. "Während eine Art in der Natur zurückgeht, versucht man sie in den Zoos zu erhalten in der Hoffnung, sie danach wieder in ihrer natürlichen Umgebung aussetzen zu können", sagt Artenschutzexperte Volker Homes. Bei einigen Arten sei dies auch schon gelungen, etwa beim Wisent, dem Goldlöwenäffchen und dem arabischen Oryx, der von Wilderern ausgerottet worden war.

Wie andere bedrohte oder ausgestorbene Arten müssten auch die Soccorotauben ohne den Menschen nicht mühsam mit einem Zuchtprogramm wieder aufgepäppelt werden. Ihre Heimat, vier kleine Inseln vor der Westküste Mexikos, waren unbesiedelt, bis 1957 im Zuge des Kalten Krieges eine Militärstation aufgebaut wurde. Aus Langeweile schossen die Soldaten die zutraulichen Vögel ab, auch ihre Katzen töteten viele. Inzwischen hat das Militär eine Zuchtstation mit Auswilderungsvolieren gebaut. Doch noch verhindern bürokratische Hürden das Wiederansiedeln der pastellfarbenen Tauben.

Quelle: ntv.de

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