Neue Hilfe bei Inkontinenz Muskelzellen transplantiert
29.06.2007, 01:01 UhrMit der Transplantation körpereigener Muskelzellen haben Mediziner inkontinente Frauen geheilt. Zwölf Monate nach dem Eingriff waren fast alle derart behandelten Frauen beschwerdefrei, berichten Mediziner aus Österreich im Journal "The Lancet" (Bd. 369, S. 2179). Angesichts dieser Resultate spricht ein begleitender Kommentar in dem Fachjournal vom "Beginn einer neuen Ära" in der Behandlung dieser belastenden Störungen.
Die Gruppe um Hannes Strasser von der Universität Innsbruck wählte 63 inkontinente Frauen für ihre Studie aus. 42 von ihnen erhielten eine Behandlung mit körpereigenen Muskelzell-Vorläufern (Myoblasten), 21 weitere Patientinnen bekamen stattdessen die Standardbehandlung mit dem Protein Kollagen, das ein wichtiger Bestandteil des Bindegewebes ist. Die Frauen erhielten jeweils Injektionen im Bereich des Schließmuskels ihrer Blase.
Nach 12 Monaten waren 38 der 42 mit den eigenen Muskelzellen behandelten Frauen wieder kontinent, berichten die österreichischen Mediziner in "The Lancet". In der Patientengruppe mit Kollagen waren es hingegen nur 2 von 21. Die Dicke des Schließmuskels hatte in der ersten Gruppe im Mittel um rund 59 Prozent zugenommen, in der zweiten nur um 9 Prozent.
In der mit Muskelzellen behandelten Gruppe stieg die Kontraktionsfähigkeit des Schließmuskels außerdem um mehr als das Zweieinhalbfache (268 Prozent). In der Kollagengruppe betrug dieser Wert nur 15 Prozent.
Strasser und seine Kollegen erklären, dass nun weitere Untersuchungen - sowohl über längere Zeit als auch mit mehr Patienten - nötig seien, um diese Resultate zu bestätigen und möglicherweise zu einer Standardtherapie zu machen.
Myoblasten sind eine spezialisierte Gruppe von Zellen im erwachsenen Muskel. Mit ihnen kann sich der Muskel regenerieren. Daher gelten Myoblasten als eine Art Stammzellen. Diese Aufgabe nehmen sie der Untersuchung zufolge auch im Schließmuskel der Blase wahr. Bei der unter Frauen weit verbreiteten Stress-Inkontinenz schafft der Schließmuskel nicht mehr genug Gegendruck. Erhöhter Druck im Bauch - zum Beispiel beim Husten - kann dann zum unfreiwilligen Urinabgang führen.
In ihrem begleitenden Kommentar schreiben Giacomo Novara (Universität Padua, Italien) und Walter Artibani (IRCCS Instituto Oncologico Veneto, ebenfalls Padua): "Wenn sich diese Daten bestätigen, wird das Verfahren die Behandlung der Stress-Inkontinenz wahrscheinlich substanziell verändern."
Nach Angaben der Deutschen Kontinenz Gesellschaft gibt es in Deutschland rund fünf Millionen inkontinente Menschen. Mit einem Informationstag will die Gesellschaft an diesen Samstag (30. Juni) auf die Situation der Betroffenen aufmerksam machen, von denen aus Scham nur ein geringer Anteil zum Arzt gehe.
Quelle: ntv.de