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Angriff mit Säure und Chili Nacktmull bleibt schmerzfrei

Säure oder scharfer Chili fügen Nacktmullen keine Schmerzen zu. Das liegt unter anderem daran, dass den Nagetieren Nervenbotenstoffe wie die so genannte Substanz P fehlen, berichtet ein Forscherteam um Gary Lewin vom Max-Delbrück-Center für Molekulare Medizin in Berlin im Journal "PLoS Biology". Die Schmerzresistenz der Nacktmulle (Heterocephalus glaber) sei im Verlauf der Evolution vermutlich entstanden, weil die Tiere unter extremen Bedingungen unter der Erde zusammengedrängt leben.

Nadelstiche schmerzen

Zunächst stellten die Forscher um Lewin fest, dass die Nacktmulle bei extremer Hitze oder einem Nadelpieks genauso Schmerzen zeigen wie etwa Mäuse. Sie ziehen die verletzte Pfote zurück oder lecken die Wunde. Chemische Reize, die bei anderen Tieren oder bei Menschen starke Schmerzen hervorrufen, ließen die Nacktmulle jedoch kalt: Nach der Injektion von Säure oder dem Chili-Wirkstoff Capsaicin zeigten sie keinerlei Schmerzreaktionen.

Detaillierte Untersuchungen ergaben, dass die Nacktmulle Säure überhaupt nicht wahrnehmen. Das sei einzigartig unter Wirbeltieren. Womöglich fehlen ihnen dafür nötige Ionenkanäle in den Nervenzellen, schreiben die Wissenschaftler. Auf Capsaicin hingegen reagieren die Nervenfasern der Tiere sehr wohl. Allerdings scheint eine ungewöhnliche Verschaltung dieser Nervenfasern im zentralen Nervensystem dazu zu führen, dass die Tiere keinen Schmerz spüren.

Die Forscher stellten noch eine weitere Auffälligkeit fest: Die Tiere entwickelten nach einem lang anhaltenden Entzündungsschmerz keine Überempfindlichkeit gegen Hitzereize. Eine solche "thermale Hyperalgesie" tritt häufig als Reaktion auf Entzündungsschmerzen auf. In Versuchen mit Mäusen lässt sich eine entsprechende Schmerzreaktion zum Beispiel feststellen.

Substanz P bringt Schmerzempfinden zurück

Auch bei den Nacktmullen konnten die Wissenschaftler eine Hyperalgesie hervorrufen, nämlich indem sie den Nervenbotenstoff "Substanz P" in das Nervensystem der Tiere einschleusten. Dieser Botenstoff wird bei anderen Säugetieren nach Verletzungen von bestimmten schmerzleitenden Nervenfasern frei gesetzt, fehlt aber den Nacktmullen. Die Nager wurden mit der Substanz P auch empfindlich für die Schmerzreize durch den Chili- Wirkstoff Capsaicin.

Nacktmulle eigneten sich gut, um grundlegende Vorgänge der Schmerzverarbeitung zu untersuchen, schreiben die Wissenschaftler. Das Schmerzsystem sei ein weiteres besonderes Merkmal der ungewöhnlichen Säugetiere. Nacktmulle sind die einzig bekannten wechselwarmen Säugetiere. Sie leben in großen Gruppen aus hunderten von Tieren in unterirdischen Höhlen. In dieser Lebeweise liege vermutlich auch der Grund für die Besonderheiten in der Schmerzwahrnehmung. In den Höhlen der Nager sei der Sauerstoffgehalt gering, der Kohlendioxidgehalt hingegen hoch. Da Kohlendioxid in hohen Konzentrationen eine Übersäuerung des Gewebes hervorrufen könne, sei etwa ein Schutz vor Schmerzreizen durch Säure sinnvoll.

Quelle: ntv.de

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