Wissen

Gekaufte Schwerelosigkeit Neuer Weltraumtourismus

Drei Minuten lang schwebt der Weltraumtourist in der Schwerelosigkeit in mehr als 100 Kilometern Höhe. Durch 15 Fenster sieht er, was sonst nur Astronauten faszinieren kann - die runde Erde vor einem tief blauschwarzen Himmel.

Die Digitaltafel nahe einem futuristischen Cockpit zeigt ihm dann, dass der Abstieg zurück zum Heimatplaneten begonnen hat. Nach 90 Minuten geht der Ausflug in den Weltraum zu Ende, der Pilot landet das Raketenflugzeug auf einem normalen Flughafen. Für je 150.000 bis 200.000 Euro haben sich die vier Passagiere so einen Lebenstraum erfüllt, wofür andere in der Sojus-Kapsel viele Millionen bezahlten.

Das revolutionäre Raketenflugzeug, das so groß ist wie ein kleiner Business Jet, könnte schon 2012 in den Weltraum starten. Anfang 2008 will Europas führender Raumfahrtkonzern Astrium, eine EADS-Tochter, die technischen Studien beendet haben und das ehrgeizige Projekt mit industriellen und finanziellen Partnern angehen.

Die Begeisterung für den Weltraum ist ungebrochen, der Markt für Weltraumtourismus scheint ein Riesengeschäft werden zu können. Etwa eine Milliarde Euro dürfte die Entwicklung des einstufigen Raketenflugzeuges kosten, für das der bekannte Industriedesigner Mark Newson ein attraktives Kabinenmodell entworfen hat - schick und bequem also auch in der Schwerelosigkeit.

"Der Markt für den Weltraumtourismus könnte bis 2020 auf 15 000 Passagiere gestiegen sein", erläuterte Astrium-Chef Franois Auque am Mittwochabend in Paris vor geladenen Gästen, die das originalgetreue Kabinenmodell begleitet von Sphärenmusik bestaunen konnten. Astrium und EADS fürchten dabei auch nicht den britischen Milliardär Richard Branson, der solche Flüge doch schon 2009 mit seinem Projekt Virgin Galactic anzubieten verspricht. Lange Erfahrungen im Flugzeug- und im Raketenbau fließen in die europäische Entwicklung ein, "so dass wir Qualität zusichern können und ein Raketenflugzeug, dass auf einem x-beliebigen Flughafen starten und auch landen kann", sagt Auque.

Nachwuchsingenieure kamen auf die Idee: Das "Flugzeug für den Weltraum" hebt mit Düsenantrieb ab. In 12.000 Metern Höhe zünden die Raketenmotoren am Heck, der Pilot bringt das Raumfahrzeug mit den vier Passagieren auf die Höhe von 100 Kilometern. Zur einzigartigen Sicht auf den blauen Planeten gesellt sich hier der Nervenkitzel - der Weltraumtourist ist 80 Kilometer oberhalb des Flugzeugverkehrs und 100 Kilometer unterhalb der Satelliten in ihren Umlaufbahnen. Der Antrieb ist abgeschaltet, der Pilot steuert dann das Raumfahrzeug mit Kleintriebwerken so, dass die Fluggäste drei Minuten lang schwerelos auf ihre Kosten kommen. Zur Landung zündet er die Strahltriebwerke.

Die komfortablen gelben Sitzschalen balancieren, beweglichen Hängematten gleich, die Schub- und Neigeeffekte auf dem Flug aus. Das Flugzeug, das auf dem Weg zum "Zero-G"-Höhepunkt zur Rakete wird, soll in Ottobrunn bei München, in Bremen und in Südfrankreich gebaut werden. Erste Windkanalversuche waren sehr erfolgreich, berichtet das Astrium-Team.

Finanziert wird das Projekt überwiegend mit Mitteln der Privatwirtschaft, die ein lukratives Zukunftsgeschäft vor Augen hat. Und eines Tages könnten womöglich nicht nur Schwerreiche schwerelos fliegen: Im Jahr 1920 kostete ein Flug von Berlin nach London noch ein vierfaches durchschnittliches Jahreseinkommen. Heute reißt eine solche kurze Flugreise kein größeres Loch mehr in die Urlaubskasse.

Hanns-Jochen Kaffsack, dpa

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen