Klimawandel im Rekordtempo Ostsee ist stark betroffen
22.07.2012, 20:49 Uhr
Durch den Klimawandel vermehren sich krankmachende Bakterien in der Ostsee.
(Foto: dapd)
Kein Meer weltweit erwärmt sich schneller als die Ostsee. Damit steigt das Risiko gefährlicher bakterieller Infektionen. Deutschlands Küste zählt zu den am stärksten gefährdeten Gebieten.
Die Ostsee erwärmt sich sieben Mal schneller als die Meere im globalen Durchschnitt. Damit bessern sich die Lebensbedingungen von Bakterien der Gruppe Vibrio in dem wenig salzhaltigen Wasser. Das wiederum erhöht das Risiko für schwere Wundinfektionen und Blutvergiftungen. Auf einer Skala von eins bis zehn gilt für die gesamte deutsche Ostseeküste die höchste Risikostufe zehn. Das berichten Forscher um Craig Baker-Austin vom britischen Centre for Environment Fisheries and Aquaculture Science im Journal "Nature Climate Change".

Bereits jetzt infizieren sich in warmen Sommern immer mehr Menschen mit Vibrio vulnificus, einem Erreger von Wundinfektionen, Durchfall und Blutvergiftungen.
(Foto: dpa)
Mitglieder der Bakteriengattung Vibrio kommen natürlicherweise in Meer- und Brackwasser vor. Bei höheren Temperaturen kann sich die Konzentration der auch Vibrionen genannten Keime im Meerwasser deutlich erhöhen. Besonders gilt das für die Ostsee, deren Wasser nur eine geringe Salzkonzentration hat. Von der deutschen Ostsee sind bereits mehrere solcher Fälle bekannt, bei denen die Art Vibrio vulnificus als Ursache nachgewiesen wurde. Berichte über solche und ähnliche Infektionen gibt es auch aus den USA, Spanien, Israel, Peru und Chile. Das Bakterium V. cholerae ist der Verursacher der Cholera.
"Das am schnellsten erhitzte Meeresökosystem der Welt"
Baker-Austin und sein Team berichten nach der Analyse von vieljährigen Klima- und Temperaturdaten, dass die sehr flache Ostsee im Zeitraum von 1982 bis 2010 jährlich um 0,063 bis 0,078 Grad Celsius wärmer wurde. Auf ein Jahrhundert gerechnet sind das 6,3 bis 7,8 Grad. Seit 1987 überschritt die Erwärmungsrate der Ostsee ein Grad Celsius pro Jahrzehnt. Das ist mehr als sieben Mal mehr als die globale Erwärmung der Ozeane.
"Der kürzliche Erwärmungstrend, den wir hier identifizieren, repräsentiert das am schnellsten erhitzte Meeresökosystem der Welt." Künftig könnte die Ostsee in großen Teilen des Sommers 18 Grad warm sein - Vibrionen wachsen ab 15 Grad verstärkt.
Erkrankungsrisiko bei offenen Wunden
Das höchste Erkrankungsrisiko geht nach Einschätzung von Baker-Austin vom Keim V. vulnificus aus. Um die von ihm gefährdeten Gebiete zu zeigen, ermittelten die Forscher Bereiche der Ostsee mit hoher Temperatur und gleichzeitig niedriger Salzkonzentration. Das Seegebiet zwischen der Ostküste Dänemarks, dem Süden Schwedens sowie dem Norden Deutschlands und Polens gehört zur höchsten Risikostufe auf einer Skala von eins bis zehn. Entlang dieser Küste wohnen viele Menschen. Besonders in den Sommermonaten kommen Millionen Touristen an die Küste.
"Erkrankungen durch Vibrionen sind in Deutschland zwar selten, zeichnen sich jedoch durch einen sehr ernsthaften Verlauf in Form von schweren Wundinfektionen und Blutvergiftungen (Sepsis) aus. Besonders gefährdet sind Menschen mit chronischen Vorerkrankungen und offenen Wunden", heißt es beim niedersächsischen Landesgesundheitsamt. Menschen mit offenen oder schlecht heilenden Wunden sollten diese deshalb nicht dem Kontakt mit warmem Meerwasser aussetzen, insbesondere wenn sie an Vorerkrankungen leiden und ein geschwächtes Immunsystem haben. Zur Vermeidung von Lebensmittelinfektionen aller Art sollten Meerestiere nicht roh verzehrt und auf gutes Durchgaren geachtet werden.
Quelle: ntv.de, dpa