Forscher werden in Tirol fündig "Ötzi" hat lebende Verwandte
10.10.2013, 16:25 Uhr
Auf rund 5250 Jahre schätzen Forscher das Alter der Mumie aus den Alpen - dafür ist sie noch erstaunlich gut erhalten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die wohl berühmteste Gletschermumie der Welt bekommt Familienzuwachs: Eine Erbgutanalyse weist nach, dass in Österreich bis heute Verwandte von "Ötzi" leben. Allerdings dürfen sich die 19 Männer darüber nicht freuen - die Forscher teilen ihnen das Ergebnis nicht mit.

Das Ötztal in Tirol: In dieser Gegend kam "Ötzi" in grauer Vorzeit vermutlich nach einem Pfeilangriff ums Leben.
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Die Gletschermumie "Ötzi" hat in Österreich noch lebende Verwandte. Bei 19 Männern aus Tirol konnte per DNS-Analyse dieselbe genetische Untergruppe ausgemacht werden, wie sie der 1991 im italienischen Südtirol gefundene "Mann vom Hauslabjoch" in sich trägt. "Diese Tiroler Männer und 'Ötzi' hatten die gleichen Vorfahren", erklärt Walther Parson vom Institut für Gerichtliche Medizin in Innsbruck. Der vor ungefähr 5250 Jahren vermutlich an den Folgen einer Pfeilattacke verstorbene "Ötzi" gilt nicht zuletzt wegen seines durch das Gletschereis gut erhaltenen Zustandes als wissenschaftliche Sensation. Die Wissenschaftler glauben, dass sowohl im schweizerischen Engadin als auch im südtiroler Vinschgau noch weitere entfernte Verwandte der Mumie leben könnten.
Wie die neuesten Daten nahelegen, lebte der älteste gemeinsame Vorfahre von Ötzi und seinen österreichischen Verwandten vor circa 10.000 bis 12.000 Jahren. "Der Mann wanderte damals vermutlich aus dem Nahen Osten nach Europa ein", sagte Parson. Ursprünglich sei es gar nicht die Absicht der Wissenschaftler gewesen, nach Verwandten von "Ötzi" zu suchen. "Wir wollten bei der Studie eigentlich nur die Besiedelung Tirols besser verstehen und sind dann darauf gestoßen", so Parson.
Im Rahmen der Studie wurden von rund 3700 Männern DNS-Analysen erstellt, die zuvor eine Blutspende abgaben. Dabei machten sie auch Angaben zu ihrem Geburtsort und der Herkunft ihrer männlichen Vorfahren. Allerdings halten die Forscher die Information über den berühmten Verwandten vor den Männern geheim. "Wir haben sie nicht informiert", teilte Parsons mit. Da für die Analyse von weiblichem Erbgut ein anderes Verfahren angewendet wird, kamen Frauen in der Besiedelungsstudie nicht vor.
"Ötzis" Nachfahren blieben Geburtsort treu
Hingegen wurde das nur bei Männern vorkommende Y-Chromosom auf Gemeinsamkeiten hin untersucht, da die sich darin befindlichen DNS-Informationen sich auch bei auftretenden Mutationen über tausende von Jahren auf einzelne Personen zurückverfolgen lassen. "Menschen mit gleichen Mutationen, die in diesem speziellen Fall nur sehr langsam passierten, können wir deshalb in sogenannte Haplogruppen zusammenfassen", sagte Parson. Die in der Studie verwendete genetische Untergruppe trägt die Bezeichnung G-L91.
Die Untergruppe findet sich heute vor allem bei Menschen im Nahen Osten wieder, woraus die Wissenschaftler den Rückschluss zogen, dass "Ötzis" eigene Vorfahren aus dieser Region stammen müssen. In Europa findet sich G-L91 hingegen vergleichsweise selten, mit Ausnahme des Oberen Inntals so wie dem tirolerischen Paznauntal. Dies führen die Forscher auf das dort lange vorherrschende Prinzip der "Patrilokalität" zurück, nach welchem die männlichen Nachkommen einer Familie die Gegend ihrer Geburt in der Regel nicht verließen.
Da es in angrenzenden Gegenden möglicherweise noch weitere Verwandte von "Ötzi" gibt, wollen die Wissenschaftler ihre Studie nun auch dort anwenden. "Wir haben bereits schweizerische und italienische Kooperationspartner gefunden, um unsere Forschung fortsetzen zu können", sagte Parson. "Ötzi" selbst hat in der Vergangenheit vielleicht sogar schon Besuch von seinen Verwandten bekommen. Der "Mann aus dem Eis" liegt im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen bei einer Temperatur von minus sechs Grad in einer Kühlkammer und kann durch eine Glasscheibe von der Nachwelt bestaunt werden.
Quelle: ntv.de, dpa