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Erreger aus dem Mittelalter Pest-Genom entziffert

Darstellung der Beulenpest in der Toggenburg-Bibel (Schweiz) von 1411.

Darstellung der Beulenpest in der Toggenburg-Bibel (Schweiz) von 1411.

Auf einem Friedhof in London ging es einigen Skeletten an die Knochen: Forscher isolierten ein Bakterium, das für die Pest-Epidemie im 14. Jahrhundert verantwortlich war. Nun ist der Erreger genetisch entschlüsselt. Er ist dem heute existierenden Pestbakterium ganz schön ähnlich.

Forscher haben das Erbgut des Pesterregers entziffert, der als Schwarzer Tod um 1350 in Europa gewütet hat. Das Genom des damaligen Pesterregers sei dem der heute vorkommenden Bakterien erstaunlich ähnlich. "Er war sozusagen die Mutter aller heutigen Pesterreger", sagte Johannes Krause von der Universität Tübingen am Mittwoch. Zusammen mit einigen Kollegen stellt er das Bakterienerbgut im Journal "Nature" vor. Der sogenannte Schwarze Tod raffte in nur fünf Jahren in Europa je nach Angaben 25 bis 50 Prozent der Menschen dahin.

Heute gibt es Antibiotika

Das nächstverwandte derzeit existierende Pestbakterium unterscheide sich nur an zwölf Stellen von jenem aus dem 14. Jahrhundert, sagte Krause. Es gebe jedoch eine Reihe von Gründen, warum später keine so großen Pestepidemien mehr aufgetreten sind: "Bei der ersten Pestepidemie wussten weder der Mensch noch sein Immunsystem damit umzugehen." Der größte Teil der für Pest anfälligen Menschen sei gestorben. Die anderen hätten möglicherweise ein Immunsystem, das besser mit dem Erreger zurechtkomme. Zudem habe sich der Mensch später auch kulturell angepasst - etwa mit Quarantäne und Pesthäusern. Heute gibt es Antibiotika gegen das Pestbakterium.

Zuvor hatten Forscher aus Tübingen und Kollegen das nun entzifferte Bakterium zweifelsfrei als Erreger der Pest-Epidemie im 14. Jahrhundert ausgemacht. Dafür habe die Sequenzierung von unter einem Prozent des Genoms genügt, erläuterte Krause. Diese Ergebnisse hatten sie bereits Ende August in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS) veröffentlicht.

"Extrem aufschlussreiche Erkenntnisse"

Das Bakterium namens Yersinia pestis hatten die Forscher aus Skeletten auf einem Londoner Friedhof isoliert. An der Tübinger Studie waren auch Forscher aus den USA, Kanada und Großbritannien beteiligt.

"Für Historiker", sagte Krause, der selbst Archäologe ist, "geht es vielleicht lediglich darum zu sehen, welche Krankheit die Menschen sterben ließ. Doch für Mediziner und Entwicklungsbiologen sind die Erkenntnisse extrem aufschlussreich." Sie könnten nun erkennen, wie sich ein Bakterium im Laufe der Geschichte verändert habe, um zum Beispiel von einem Wirtstier - wie der Ratte im Fall der Pest - auf den Menschen überzuspringen.

Doch keine Viruserkrankung

Krause betonte, die Erkenntnisse ermöglichten es vielleicht auch, gegen Infektionen in Zukunft neue Wirkstoffe zu entwickeln. Mit ihren Ergebnissen haben die Forscher auch die Meinung anderer Fachleute revidiert, die vor zehn Jahren davon ausgegangen waren, dass eine Viruserkrankung wie etwa Ebola den Schwarzen Tod im Mittelalter ausgelöst haben könnte.

Quelle: ntv.de, dpa

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