Bewegung mit Parkinson Positive Auswirkungen
30.05.2007, 13:11 UhrUnsichere Schritte, steife Glieder und zitternde Hände - viele Parkinsonpatienten leiden darunter, dass sie sich nicht mehr richtig bewegen können. Medikamente sollen häufig auftretende Symptome wie Zittern (Tremor) oder Muskelsteifheit (Rigor) lindern. Doch damit allein ist es nicht getan. Beweglichkeit und Haltung müssen auch durch Bewegungstraining verbessert werden, und mit Atem- und Sprechübungen können sich die Patienten länger verständigen. Damit lässt sich ein Fortschreiten der Krankheit zwar nicht aufhalten, aber einige Patienten erleben eine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes - und ihrer Lebensqualität.
Deshalb werden Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie inzwischen als wichtiger Baustein der Parkinsontherapie gesehen. "Sie sind eine therapeutische Säule neben der medikamentösen Behandlung und Beratung", sagt Prof. Wolfgang Jost von der Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden. "Bei der Behandlung mit Medikamenten gibt es Wirkungslücken, die zum Beispiel mit Physiotherapie ausgeglichen werden können", erklärt Privatdozent Georg Ebersbach vom Neurologischen Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen und Parkinson in Beelitz (Brandenburg). Geh-, Gleichgewichts- und Sprechstörungen können mit entsprechenden Übungen gelindert werden.
So verlieren Parkinsonpatienten im Verlauf ihrer Krankheit zum Beispiel den Reflex, sich aufzufangen, wenn sie stolpern oder fallen. Eine Studie habe gezeigt, dass dieser Reflex mit besonderen Übungen wieder trainiert werden kann. "Da gab es erstaunliche Fortschritte", sagt Ebersbach. Mit Hilfe von Physiotherapie werde außerdem Muskelkontrakturen und Fehlbelastungen vorgebeugt, sagt Jost. In der Therapie sollte möglichst ein individuelles Trainingsprogramm eingeübt werden, das der Patient auch zu Hause fortsetzen kann.
Eine besondere Bedeutung hat Gehtraining - zum Beispiel auf dem Laufband. Denn typisch für Parkinsonpatienten ist, dass sie kleine, unsichere Schritte machen, aus dem Tritt kommen oder stolpern. "Parkinsonpatienten verlieren die Fähigkeit, sich selbst einen inneren Rhythmus zu geben", erklärt Ebersbach. Sie müssten lernen, ihre Bewegungen wieder zu rhythmisieren, damit sie gleichmäßiger werden. Der Impuls dafür könne auch von außen kommen. Rhythmische Bewegungen lassen sich auch in einer Musiktherapie üben, sagt Matthias Grün, Musiktherapeut in der Klinik Ambrock in Hagen.
Mit Hilfe von Rhythmen lernen die Patienten auch, das "Freezing-Phänomen" zu überwinden, unter dem viele von ihnen leiden: In bestimmten Situationen, zum Beispiel vor Türschwellen, haben sie das Gefühl, sich nicht mehr bewegen zu können. "Jeder Patient hat da seine eigene Strategie", sagt Prof. Günther Deuschl von der Neurologischen Klinik der Universität Kiel. Einer seiner Patienten, ein Tanzlehrer, mache zum Beispiel einen Walzerschritt, andere singen sich in Gedanken den Radetzky-Marsch vor und beginnen an einer bestimmten Stelle zu laufen. Wieder andere haben einen Stock, der auf Knopfdruck einen waagrechten Hebel ausklappt, über den der Patient steigen muss.
Bei der Ergotherapie werden hingegen feinmotorische Bewegungen geübt. "Es gibt in unserer Klinik zum Beispiel eine Übungsküche, in der alltägliche Aktivitäten trainiert werden", sagt Grün. Auch Schreibübungen gehören zum ergotherapeutischen Programm: "Die Schrift wird immer kleiner, das ist im Prinzip das gleiche Phänomen wie beim Gehen oder Sprechen". Dieses Problem wird auch in der Maltherapie angegangen, wo neben der kreativen Arbeit zum Beispiel die Stiftführung und der Schreibschwung beim Malen einer liegenden Acht geübt wird.
Auch die Stimme von Parkinsonpatienten wird in vielen Fällen immer leiser und undeutlicher. "Inzwischen weiß man, dass die logopädische Behandlung die einzige Möglichkeit ist, die Sprechleistung von Parkinsonpatienten aufrecht zu erhalten", sagt Adelheid Nebel, Logopädin am Uniklinikum Kiel. Der wichtigste Aspekt sei dabei, die Lautstärke zu trainieren. Das wird mit der so genannten Lee-Silverman-Voice-Therapie geübt. Dadurch verbessere sich Atmung, Stimmqualität, Aussprache und die Dauer, wie lange auf einen Atemzug gesprochen werden kann. "Für die Parkinsonpatienten ist es oft, als würden sie brüllen", sagt Nebel. Dabei sprechen sie in normaler Lautstärke. Am wirkungsvollsten sei die Therapie in den ersten fünf bis acht Jahren der Krankheit.
Ein weiteres Problem sei das überschnelle Sprechtempo, das mit stotterähnlichen Symptomen verbunden ist. "Hier hilft ein Tastbrett", sagt Nebel. Während des Sprechens tasten die Patienten Silbe für Silbe eine Art Leiter ab. "Das stört die Melodie des Sprechens, sie werden aber verständlicher."
Grundsätzlich sollten Parkinsonpatienten so lange wie möglich in Bewegung bleiben und Sport treiben. "Jede Bewegung ist gut", sagt Jost. Empfehlenswert sei zum Beispiel Nordic Walking, wo Arme und Beine im Gleichklang bewegt werden. Deuschl geht sogar noch weiter: "Parkinsonpatienten brauchen täglich ein leichtes Ausdauertraining, das den Herzschlag beschleunigt." Wichtig sei auch, die Geschicklichkeit zu trainieren, etwa beim Tanzen, Ballsport, Tennis oder Squash. Wer vor der Krankheit nie Sport getrieben habe, sollte sich vorher mit einem Sportmediziner zusammensetzen. Bei einem Fortschreiten der Krankheit müssten die Übungen angepasst werden.
Aufhalten lässt sich Parkinson auch mit viel Bewegung nicht. Dennoch sind die Experten überzeugt, dass die Therapien für die Lebensqualität der Patienten eine wichtige Rolle spielen. "In den Therapien hier in der Rehaklinik erleben die Patienten oft, dass doch noch vieles mehr geht, als sie selbst gedacht haben", sagt Grün.
Quelle: ntv.de