Historische Quellen in neuem Licht Römisches Schlachtfeld entdeckt
15.12.2008, 17:17 UhrErst hielt Petra Lönne es kaum für möglich, doch eine Hypposandale, ein Fußschutz für Pferde, ließ für die Northeimer Kreisarchäologin keinen anderen Schluss mehr zu: Die Römer waren hier, am westlichen Harzrand in Südniedersachsen - und zwar deutlich nach der Varusschlacht im Jahr neun nach Christus, die bislang den Beginn des Rückzugs der Römer aus den germanischen Gebieten östlich des Rheins markierte. Die Geschichte wird nicht gänzlich neu geschrieben aber wohl deutlich ergänzt werden müssen. "Historische Quellen erscheinen jetzt in einem neuen Licht", sagt Henning Haßmann vom niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege.
Nach diesen Quellen haben die Römer trotz ihren Niederlagen in und nach der Varusschlacht immer wieder Feldzüge in das germanische "Barbaricum" unternommen. Kaiser Maximus Thrax, der in wechselhaften römischen Zeiten von 235 bis 238 regierte wollte die Germanen sogar bis hin zur Nordsee unterwerfen und zog hierfür auch persönlich mit in die Schlacht. Doch mangels archäologischer Funde taten Historiker dies bislang überwiegend als Propaganda der kaiserlichen Chronisten ab. Vielleicht 30 bis 40 römische Meilen, etwa 60 Kilometer, so die Annahme, könnten römische Verbände von Rhein und Main vorgestoßen sein.
Viele offene Fragen
Doch wie die sensationellen Funde der vergangenen Monate aus Kalefeld-Oldenrode belegen, waren es offensichtlich mehrere hundert Kilometer. Auf dem Rückweg aus dem Norden nach Mainz mussten die Römer bei Kalefeld einen Höhenzug passieren. Den Pass, den früher das römische Heer und heute die Autobahn 7 zwischen Hannover und Kassel nutzt, hatten die Germanen offenbar versperrt. Die vielleicht 1000 römischen Soldaten mussten kleinere Wege über den Höhenzug nehmen. Am Harzhorn, so vermuten jetzt Archäologin Lönne und der Osnabrücker Historiker Günther Moosbauer, lauerten ihnen die Germanen auf. Wer die Schlacht gewann, ist eine der vielen offenen Fragen.
Bislang etwa 600 Teile wurden gefunden: Speer- und Pfeilspitzen, Katapultbolzen, Münzen, Äxte, Zeltheringe, Geschützteile und vieles mehr. Die Art der Pfeilspitzen deutet auf die Beteiligung persischer und maurischer Krieger, die Rom damals gerne gegen die Germanen einsetzte. Rätselhaft dagegen, dass die Funde fast durchweg den Römern zuzuordnen sind. Von den Germanen, die ihnen aufgelauert haben müssen, fehlt bislang fast jede Spur. Das könnte daran liegen, dass das anderthalb Kilometer weite Gelände bislang nur mit Metalldetektoren abgesucht wurde. Ab kommendem Sommer sollen Ausgrabungen folgen. Wegen der teils verschütteten Hanglage hofft Archäologe Haßmann auf "gute Befunde".
Zeitpunkt gut einzugrenzen
Schon die Vielzahl der bisherigen Funde gibt den Archäologen allerdings ein weiteres Rätsel auf. Denn üblicher Weise plünderten in der Nähe siedelnde Germanen die Schlachtfelder. Am Harzhorn dagegen haben sie offenbar nur ihre eigenen Toten samt Hab und Gut geborgen.
Gut eingrenzen lässt sich dagegen der Zeitpunkt der Schlacht. Eine Münze mit Kaiser Commodus, der von 180 bis 192 regierte, sowie der Mode unterworfene Beschläge von Schwert- und Dolchhüllen deuten auf die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts. Auch Wagen- und Waffenteile legen diese Zeit nahe. Unter anderem setzten die Römer Katapultgeschütze ein, die über eine Entfernung von 300 Metern recht treffgenau Holzschilde und Blech durchbohren konnten. Verlorene Sohlennägel weisen wie bei einer Schnitzeljagd den Weg der römischen Soldaten.
Entdeckt haben das Schlachtfeld zwei illegale Sucher mit Metalldetektoren schon vor acht Jahren. Doch erst im Juni 2006 legten sie ihre Funde der Kreisarchäologin Lönne vor. Danach begannen die Archäologen einen Wettlauf mit der Zeit. Wäre der Fundort öffentlich geworden, hätten Scharen illegaler Militaria-Sucher das Schlachtfeld geplündert. Aber nur mit dem genauen Ort, Lage und Ausrichtung der Fundstücke wird sich die Schlacht vielleicht einmal genauer rekonstruieren lassen, erklärt Landesarchäologe Haßmann.
Quelle: ntv.de, Martin Wortmann, AFP