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Hoffnung bei Schlaganfall Schlangengift für Patienten

Die Hoffnung der Pharmafirma liegt faul in einer Plastikbox den ledrigen Körper aufgerollt, kaum so groß wie die Fläche einer Hand. Nur die schmalen Schlitze der Pupillen verraten, dass die Malaiische Grubenotter wach ist.

"Das ist eines der ersten Tiere, die bei uns geschlüpft sind", sagt Rolf Kreutz. Er ist Leiter der Schlangenfarm, die das Unternehmen Nordmark derzeit in Uetersen bei Hamburg aufbaut. Der Zuchterfolg ist für die Pharmafirma ein Meilenstein. Die Schlangen könnten eines Tages den Rohstoff für einen Kassenschlager liefern: Aus dem Gift der Reptilien wird der Wirkstoff Ancrod gewonnen, der in einem Schlaganfall-Medikament zum Einsatz kommen soll.

Die Lizenz für das Arzneimittel hält ein US-Unternehmen, die hiesige Pharmafirma liefert den Wirkstoff. Die Amerikaner untersuchen derzeit in einer klinischen Studie die Wirksamkeit. Mit einem erfolgreichen Präparat, hofft die US-Firma, könne man jährlich Umsätze in Höhe von 500 Millionen Dollar machen. "Die Chancen sind immens, im Bereich des Hirnschlags gibt es bislang kein Medikament mit vergleichbarem Wirkmechanismus", sagt Manfred Kurfürst, Leiter des Konzernbereichs "Biologische Produkte".

Die Pharmakonzerne wollen sich dabei einen Effekt zu Nutze machen, den ein britischer Tropenarzt in den 60er Jahren an seinen Patienten in Malaysia beobachtete. Durch den Biss der Grubenotter verändert sich das Blutbild: Der Lebenssaft gerinnt schlechter und seine Viskosität (Zähigkeit) sinkt.

Wenn bei einem Schlaganfall-Patienten ein Gerinnsel die Arterien zum Gehirn blockiert, soll Ancrod helfen. "Wir hoffen, dass das Blut in Bereiche kommt, die wegen des Gerinnsels nicht mehr durchblutet werden können", sagt Kurfürst. Er geht davon aus, dass man so "die irreparablen und furchtbaren Schäden" des Anfalls verhindern kann, beispielsweise Lähmungen und Sprach- oder Sehstörungen. Um die Versorgung mit dem Rohgift sicherzustellen, muss die Zahl der Schlangen aber noch von derzeit knapp 100 auf rund 1.200 wachsen.

Der Leiter der Schlangenfarm und seine Mitarbeiter tun alles, damit sich die Tiere aus Südostasien in Norddeutschland wohl fühlen: Die Neonbeleuchtung geht im Rhythmus der Tropen um sechs Uhr morgens an. In den Räumen herrschen konstant 29 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit "das sind optimale Bedingungen." Und alle drei Wochen dürfen die Schlangen eine Maus erlegen und herunterwürgen.

Die Investition in Schlangenfarm und Labore laut Kurfürst ein "zweistelliger Millionenbetrag" ist durchaus ein unternehmerisches Risiko. Auch jetzt sei noch nicht sicher ob das Medikament die Zulassung erhalte. Die klinische Studie werde bis voraussichtlich 2009 dauern. Die Serienproduktion des Medikamentes könne frühestens 2011 beginnen.

In den 90er Jahren war bereits ein anderer Pharmakonzern dabei gescheitert, ein Produkt mit Ancrod zur Marktreife zu bringen. Aus der Vergangenheit habe man aber gelernt. In der neuen Studie würden etwa bestimmte Risikopatienten ausgeschlossen, Diabetiker etwa. Zudem wird das Medikament nur noch bis zu sechs Stunden nach dem Anfall verabreicht.

Quelle: ntv.de

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