Schon vor dem Lesen lernen Schwäche früh nachweisbar
24.01.2012, 10:20 UhrOb Kinder eine Leseschwäche haben, können Forscher bereits nachweisen, bevor diese in der Schule das Lesen lernen. Die Aktivität in den entsprechenden Gehirnregionen zeigt sich vermindert. Schulen könnten mit einem solchen Vorab-Wissen motiviert werden, von Anfang an auf Schüler mit Dyslexie zu reagieren.

In Schulen werden leseschwache Kinder oft nicht entsprechend gefördert - auch, weil die Schwäche erst später erkannt wird.
(Foto: picture alliance / dpa)
Eine Leseschwäche lässt sich bei Kindern bereits vor dem Schulbeginn im Gehirn nachweisen. Das haben Forscher der Harvard Medical School in Boston herausgefunden. Womöglich könne diese Studie betroffenen Schülern und Eltern helfen: Etliche Eltern wüssten zwar um die Schwäche bei ihren Kindern, fänden in der Schule aber vielfach kein Gehör. Eine echte Diagnose könne sie unterstützen. Ob die untersuchten Kinder aber tatsächlich eine Leseschwäche entwicklen, muss sich erst noch zeigen.
Die sogenannte Dyslexie betrifft zwischen 5 und 17 Prozent aller Kinder, erläutern die Forscher in einer begleitenden Mitteilung. Zu ihren Problemen gehört, dass sie schlecht lesen und buchstabieren können. Zudem fällt es ihnen schwer, flüssig gesprochene Sätze zu decodieren und Gehörtes in geschriebene Sprache umzusetzen.
Verringerte Gehirn-Aktivität
Das Forscherteam beobachtete 36 Kinder im Vorschulalter von etwa fünfeinhalb Jahren mit der funktionellen Magnetresonanz-Tomographie. Diese verrät berührungslos, welche Regionen des Gehirns bei einer Tätigkeit besonders aktiv sind - oder nicht. Die Kinder mussten dafür einige Zeit still in dem röhrenförmigen Gerät liegen, was die Forscher mit Tricks und gutem Zureden erreichten.
Während der Tests hatten Kinder mit einer Dyslexie-Familiengeschichte eine verringerte Aktivität in mehreren Hirnregionen - verglichen mit jenen Kindern, die keine Probleme haben. Betroffen waren die Verbindung zwischen dem Occipital-Lappen, der hintersten Region des Großhirns, und dem Temporal-Lappen, dem seitlichen Teil des Großhirns. Ebenfalls weniger Aktivität zeigte sich in der Verbindung zwischen dem Temporal-Lappen und dem Scheitel-Lappen.
Defizit schon vor dem Lernen da
Wir wussten bereits, dass ältere Kinder und Erwachsene mit Dyslexie Probleme in den gleichen Hirnregionen haben", erklärte Gaab. "Diese Studie sagt uns, dass die Fähigkeit des Gehirns zum Verarbeiten von Sprachklängen bereits defizitär ist, bevor die Kinder eine Anleitung zum Lesen bekommen." Kinder hingegen, bei denen diese Areale besonders aktiv waren, hatten ein besseres Verständnis für Rhythmus oder Buchstaben sowie deren Klänge.
"Wir hoffen, dass das Identifizieren von Kindern mit einem Risiko für Leseschwäche im Vorschul- oder im noch früheren Alter die schlechten sozialen und psychischen Folgen reduzieren, mit denen die Kinder oft konfrontiert werden", ergänzte Gaab. "Familien wissen oft bereits im Kindergarten, dass ihre Kinder Probleme haben, aber sie können damit in den Schulen keine Handlungen auslösen. Wenn wir nun nachweisen können, dass diese Kinder ein Problem haben, könnten Schulen dazu motiviert werden, Entwicklungsprogramme zu schaffen."
Das Team will die Kinder zu einem späteren Zeitpunkt nochmals untersuchen, um zu sehen, ob sich die vorhergesagte Diagnose tatsächlich einstellt. Die Forschungen werden vom US-Gesundheitsministerium unterstützt, die Ergebnisse sind in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften veröffentlicht.
Quelle: ntv.de, dpa