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"Bloß nicht morgens duschen" So schlimm ist die US-Rekordkälte

Eigentlich sollte man bei Temperaturen von minus 30 Grad Celsius besser zuhause bleiben.

Eigentlich sollte man bei Temperaturen von minus 30 Grad Celsius besser zuhause bleiben.

(Foto: AP)

Bis zu 70 Kälterekorde könnten bis Dienstag in den USA gebrochen werden, sagen US-Wetterdienste. In Minnesota sollen die Temperaturen auf minus 54 Grad Celsius sinken, andernorts sorgt der Windchill-Effekt für gefühlte minus 48 Grad. Was hat es mit den gefühlten Werten auf sich? Und wie schützt man sich, wenn man bei einer solchen Kälte vor die Tür muss? Wie gefährlich ist sie? Diese und andere Fragen beantwortet n-tv-Meteorologe Björn Alexander im Interview. Dabei erwähnt er auch den deutschen Winter – und ob er noch kommt.

n-tv.de: Björn, kann man den Unterschied zwischen minus 20 und minus 40 Grad Celsius eigentlich noch spüren? Oder ist es ab einer bestimmten Temperatur einfach unerträglich kalt?

Björn Alexander: Grundsätzlich ist das Temperaturempfinden eine subjektive Geschichte, da variiert die Wahrnehmung von Mensch zu Mensch. Aber den Unterschied zwischen minus 20 und minus 40 Grad spürt man deutlich. Und man merkt, dass minus 40 Grad richtig, richtig kalt sind.

Es ist zurzeit häufig vom Windchill-Effekt die Rede, der die ohnehin schon rekordverdächtigen Minusgrade noch weiter senkt - in den USA gerade auf gefühlte minus 50 Grad. Was hat es damit auf sich?

n-tv-Meteorologe Björn Alexander

n-tv-Meteorologe Björn Alexander

(Foto: n-tv)

Die gefühlte Temperatur beschreibt das Phänomen, dass die Körperwärme schneller abtransportiert wird, je höher die Windgeschwindigkeit ist. Der Windchill setzt sich also zusammen aus der tatsächlichen Temperatur und der Windgeschwindigkeit. Der Wind bläst den wärmenden Puffer auf der Haut weg. Dadurch muss der Körper nachwärmen. Bei Flüssigkeiten, Wasser zum Beispiel, ist es egal, ob es gefühlt minus 20 oder minus 30 Grad Celsius kalt ist. Da spielt nur die tatsächliche Temperatur eine Rolle. Bei empfindenden Lebewesen aber macht es einen Unterschied, ob der Wind bläst oder nicht.

Wenn die gefühlte Temperatur besonders niedrig ist, wird die Kälte dadurch also auch gefährlicher?

Ja, genau. Die Erfrierungswahrscheinlichkeit ist dann nämlich deutlich höher. Man kann auch bei leichten Plusgraden und einem Wind gefühlte Temperaturen im Minusbereich haben. Das kann dann - eben auch bei tatsächlichen Plusgraden - zu Erfrierungserscheinungen führen. Wir Meteorologen weisen im Winter gern darauf hin, wenn die gefühlten Temperaturen 10 bis 15 Grad unter den tatsächlichen liegen und daher ein verstärkter Schutz vor Kälte nötig ist.

Wenn man bei solchen Temperaturen vor die Tür muss, worauf sollte man achten?

Ohne Handschuhe, Schal, Mütze und Fettcreme geht draußen dann gar nichts. Denn die exponierten Hautpartien, wie das Gesicht oder die Hände, muss man besonders schützen.
Und es gibt noch einen besonderen Tipp: Ein Hundeführer aus Lappland erzählte mir mal, dass man bei dem gefährlichen eisigen Wind morgens auf keinen Fall duschen sollte. Das ist das A und O. Man sollte dem Körper keine Feuchtigkeit zuführen, die dann noch in den Poren steckt. Das kann nämlich die Erfrierungen verschlimmern. Auch Make-Up ist deshalb bei eisigem Wind nicht angeraten. Vielmehr sollte man, wie erwähnt, Fettcremes benutzen, denn die bilden eine Schutzschicht auf der Haut.

So geschützt und dick eingepackt darf man sich dann aber ruhig raustrauen?

Am besten wäre es tatsächlich, bei so einer Kälte gar nicht vor die Tür zu gehen. Man muss sich da nichts vormachen: minus 30, minus 40 Grad, das sind Temperaturen, bei denen man nicht mehr lange rausgehen sollte. Ich habe das in Lappland erlebt, minus 15 Grad mit einem Wintersturm. Das geht einem durch Mark und Bein.
Und was man – auch bei unseren Wintern in weniger Eiseskälte – nicht vergessen sollte: Die Kleidung sollte immer so gewählt sein, dass man bei Bewegung nicht ins Schwitzen gerät, und man sollte größere körperliche Anstrengungen vermeiden. Denn nasse Stoffe in den unteren Bekleidungsschichten sind natürlich extrem ungünstig.

Wie lang hält denn die knackige Kälte in den USA noch an?

Bis zur Wochenmitte bleibt es noch eisig. Die zweite Wochenhälfte aber bringt dann deutlich ansteigende Temperaturen. Ob die arktische Kälte anschließend noch einmal zurückkehren wird, ist aus heutiger Sicht leider noch nicht zu sagen.

Und wie steht es um den Winter in Deutschland?

Klimatologisch sind wir gerade im Hochwinter, und es ist sehr mild. Im letzten Winter aber war gerade der März, der eigentlich gar kein Wintermonat mehr ist, deutlich zu kalt und hat damit den Winter verlängert. Es ist also noch viel zu früh, um die kalte Jahreszeit ad acta zu legen. Bis Februar oder März kann der Winter definitiv noch kommen - zumal die Wettermodelle jetzt immer mal wieder das Vorankommen von Kaltluft bis zu uns berechnen. Eine dauerhafte Umstellung der Wetterlage zu deutlich mehr Winter wäre demzufolge ab Mitte Januar durchaus im Bereich des Möglichen.

Mit Björn Alexander sprach Andrea Schorsch.

Quelle: ntv.de

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