Fische verkuppeln am PC Software soll bei Störzucht helfen
01.05.2011, 13:25 UhrBinnen weniger Jahrzehnte hat der Mensch den Adria-Stör nahezu ausgerottet. Jetzt sollen Computer dabei helfen, die genetisch am besten zueinander passenden Fische zu verkuppeln.
Seit 1977 versuchen Naturschützer, aus den wenigen Exemplaren des Adria-Störs wieder einen stabilen Bestand aufzubauen: Sie siedelten etwa Wildfänge aus dem Fluss Po in eine Fischzuchtanlage im italienischen Brescia über, verpaarten die Tiere und setzten die Jungen aus – bislang aber ohne Erfolg. Gerade mal 25 Individuen haben nach Angaben eines Forscherteams der Universität Bern von den einst zahlreichen Fischen überlebt. Die Wissenschaftler haben nun eine Software geschrieben, die beim Wiederaufbau des Bestandes helfen soll.
Das italienisch-schweizerische Forscherteam erklärt dieses Scheitern mit einem Phänomen namens "genetischer Flaschenhals". Früher sorgten sehr viele Individuen bei der Paarung für die Neukombination vieler genetischer Eigenschaften. Daher gab es viele genetisch verschiedene Nachkommen, die sich an die Bedingungen ihrer Umwelt anpassen konnten. Die drastische Reduzierung der Fische dezimierte aber auch die einst große Vielfalt der Erbanlagen – das ist der genetische Flaschenhals. "Die Fische geben aufgrund von Inzucht nur einen Teil der genetischen Vielfalt an die nächste Generation weiter", berichtet die Berner Bioinformatikerin Isabelle Dupanloup.
Anpassungsfähigkeit geht verloren
Durch die Paarung von Verwandten sind Wachstum, Fortpflanzung und Lebensfähigkeit der neuen Generation beeinträchtigt. Die Tiere sind weniger robust und können sich schlechter an veränderte Umweltbedingungen anpassen. Nach Angaben der Forscher verringert sich die große Vielfalt der Erbinformationen – ein Ergebnis tausender Jahre der Anpassung – durch den Flaschenhals-Effekt mit jeder Generation.
Dupanloup und ihr Team haben nun die Erbsubstanz der Fische untersucht und wichtige Merkmale daraus gespeichert. So soll eine genetische Identifizierung der Individuen möglich werden. Dank dieser DNA-Analyse könnten Züchter gezielt einzelne Tier zur Fortpflanzung auswählen und möglichst nicht-verwandte Fische miteinander verpaaren. Ihre Verkupplungs-Software stellen die Wissenschaftler im Journal "PLoS ONE" vor.
Der Mensch als Verursacher
Die Technik nutze nicht nur dem Adria-Stör, sondern auch anderen gefährdeten Arten. Alle 27 Störarten stehen auf der Roten Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources). In allen Fällen sind der Mensch und die auf ihn zurückgehenden Umweltzerstörungen die Ursache. Dabei haben die Fische eine Stammesgeschichte, die bereits etwa 250 Millionen Jahre zurückreicht. Heute leben die Fische vor allem als Süßwasserbewohner in Flüssen, Seen und Meeren Europas, Asiens und Nordamerikas.
Ihr Bestand, der sich je nach Art um 70 bis 90 Prozent verringert hat, ist vor allem durch den Kaviarhandel bedroht. Die Fischrogen – unbefruchtete Eier – gehört zu den teuersten Delikatessen der Welt. Nach Angaben des WWF kosten 100 Gramm bis zu 600 Euro. Zudem zerstört die Eindämmung und Verschmutzung von Flüssen den Lebensraum der Knochenfische. Durch langsames Wachstum und spät eintretende Fortpflanzungsfähigkeit – die Tiere können bis zu 150 Jahre alt werden – kann der Bestand der Störe besonders schnell zurückgehen.
Der Adria-Stör mit seinen langen, nahe der Schnauzenspitze gelegenen Bartfäden kann bis zu 1,50 Meter lang werden. Zum Laichen zieht er von den Küstengebieten der Adria flussaufwärts in Richtung Norditalien. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Störe in Po, Etsch und anderen italienischen Flüssen ein wichtiger Bestandteil der Fischfauna.
Quelle: ntv.de, dpa