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Konserviertes Herz als Beweis Starb Chopin an Mukoviszidose?

Seit fast 160 Jahren wird das Herz von Frdric Chopin in einer Warschauer Kirche in Cognac konserviert und gehütet - nun soll es das Geheimnis seines Todes preisgeben. Starb der geniale Komponist aus Polen 1849 in Paris tatsächlich an Tuberkulose, wie bisher angenommen, oder möglicherweise an Mukoviszidose? Als Opfer der genetisch bedingten Stoffwechselkrankheit, bei der sich Schleim in den Atmungsorganen ansammelt, sehen ihn polnische Mukoviszidose-Experten. Sie möchten deshalb Gewebeproben des Organs entnehmen und Chopins Erbgut untersuchen, was bei den Hütern der kristallenen Urne mit dem Herzen des Musikers einiges Unbehagen auslöst.

Für den polnischen Spezialisten Wojciech Cichy deuten alle Beschwerden und Krankheiten, unter denen Chopin sein Leben lang litt, auf Mukoviszidose hin. "Seit frühster Kindheit war er schwach, neigte zu Lungenentzündungen und Husten", erläutert Cichy. Als Erwachsener wog Chopin bei 1,70 Meter Körpergröße nur 40 Kilo. Chronisches Untergewicht ist für Mukoviszidose-Kranke ebenso typisch wie ein früher Tod: Chopin, 1810 bei Warschau geboren, wurde nicht einmal 40 Jahre alt. Zudem konnte er wahrscheinlich keine Kinder zeugen - trotz seiner leidenschaftlichen Liebesbeziehung mit der französischen Schriftstellerin George Sand ist nichts von Kindern des Komponisten bekannt. Sterilität wäre ein weiteres Indiz für die Erbkrankheit.

Inspirierende Entdeckung

"Wenn wir beweisen können, dass Chopin an Mukoviszidose litt, wäre das eine große Inspiration für unsere Kranken, vor allem für die Kinder", sagt Cichy: "Zu wissen, dass sie wie er etwas Großes schaffen können." Doch der Antrag der Ärzte beim polnischen Kulturministerium, aus dem Herzen Chopins Gewebeproben entnehmen zu dürfen, um das Mukoviszidose-Gen CFTR nachzuweisen, weckt bei den Verantwortlichen gemischte Gefühle, geht es doch um das Herz eines Helden der Nation.

Denn für seine Landsleute ist Chopin weit mehr als der weltberühmte Komponist. Mit seinem Lebensweg und erzwungenen Exil ist er zugleich zum Symbol für den Freiheitskampf seines Landes geworden: Chopin emigrierte nach dem Warschauer Aufstand von 1830/31 gegen die russischen Besatzer nach Frankreich, in das Geburtsland seines Vaters. Seine eigene Heimat sah er nie wieder. Sein Leichnam wurde in Paris auf dem Friedhof Pre Lachaise beigesetzt, doch sein Herz brachte die ältere Schwester Ludwika nach Warschau, wie er selbst es gewünscht hatte. "Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz", steht auf der Säule zu lesen, in der sich die hermetisch verschlossene Urne in der Heiligkreuzkirche befindet.

Angemessene Entscheidung gesucht

Zuletzt untersucht wurde das Herz direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Den Krieg und die fast vollständige Zerstörung Warschaus hatte es durch Intervention des SS-Generals Erich von dem Bach überstanden. "Die Archive zeigen, dass es in perfektem Zustand war, aber man droht es zu zerstören, wenn es berührt wird", sagt Grzegorz Michalski, Direktor des staatlichen polnischen Fryderyk Chopin Instituts. Seinen Angaben zufolge ist einer von zwei noch lebenden Angehörigen des Musikers gegen eine Untersuchung des Herzens, der andere dafür.

Das polnische Kulturministerium äußert sich nur sehr vorsichtig zur Anfrage der Ärzte. "Eine angemessene Entscheidung" werde nach einer Reihe von derzeit vorgenommenen Prüfungen erfolgen, sagt Ministeriumssprecherin Iwona Radziszewska. Die Geistlichen der Heiligkreuzkirche möchten die Ruhe der Toten nicht stören. "Das ist etwas Unberührbares, ein großes Wunder. Aber jetzt haben wir eine Art der Kultur, in der wir absolut alles wissen müssen", bedauert Pater Bernard.

Mary Sibierski, AFP

Quelle: ntv.de

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