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Neue Station in der Antarktis Stets über der Schneedecke

Das Polarlicht, Schneestürme, Sonnenuntergänge - von der deutschen Antarktisstation Neumayer II aus konnten Wissenschaftler all dies bislang nicht sehen. Sie mussten zuerst die unter einer inzwischen 15 Meter dicken Schneedecke verschüttete Röhrenkonstruktion verlassen, um ans Tageslicht zu gelangen. Der nun jüngst fertig gestellte Neubau Neumayer III, der am Freitag eingeweiht wird, bietet dagegen Fenster, nach Süden sogar eines mit Panoramablick auf die Eislandschaft. Doch nicht die Aussicht ist der Clou. Das Besondere sind vielmehr ein hydraulisches Hebesystem und sechs Meter hohe Stelzen, die den Bau auf Jahrzehnte über der Schneeoberfläche halten sollen.

Dem Druck des Eises ausweichen

Netto rund fünf Monate lang haben die Bauarbeiten gedauert, die bereits Ende 2007 mit der Anlieferung der ersten 3500 Tonnen Material per Frachtschiff begannen, aber dann während des antarktischen Winters von März bis Dezember pausierten. Die 39 Millionen Euro teure neue Forschungsstation ist bereits die dritte, die das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung ganzjährig auf dem Elkström-Schelfeis betreibt - ebenfalls benannt nach Georg von Neumayer (1826-1909), einem frühen Förderer der deutschen Südpolarforschung.

Die neue Station soll den enormen Kräften von Schnee und Eis allerdings länger widerstehen als ihre Vorgängerinnen - "die nächsten 25 bis 30 Jahre". Auch sie sei zwar "im Eis gegründet", sagt AWI-Logistikchef Hartwig Gernandt, könne aber auf den Stützen stehend "dem Druck des Eises ausweichen". Es soll ihr nicht so ergehen wie der kurz vor dem Abbau stehenden Neumayer II: Der Schneefall ließ sie in den vergangenen 17 Jahren weit unter der Oberfläche versinken, der Druck durch Eisverschiebung zerquetscht, verdreht und krümmt sie langsam, aber sicher wie eine Banane. Vor einem solchen Schicksal sollen die 16 hydraulisch beweglichen Stützen künftig die Wohnräume und Labors bewahren, indem sie diese mit der jährlich wachsenden Schneedecke anheben.


Neun Bewohner im Winter

Auf einer Fläche von 1850 Quadratmetern können die Wissenschaftler in Zukunft bei 20 Grad Celsius Raumtemperatur leben und arbeiten. Zusammen mit den unter der Eisoberfläche liegenden Lagerräumen und der als Fundament dienenden Garage umfasst die gesamte Nutzfläche fast 4500 Quadratmeter. Im antarktischen Sommer kann die mit einer rot-weiß-blau lackierten Stahlhülle ummantelte Station mehrere Dutzend Menschen aufnehmen und ihnen als Ausgangspunkt für Expeditionen dienen. Während des Winters ist sie für neun Bewohner ausgelegt, die für den Betrieb der wissenschaftlichen Observatorien sorgen.

Deren Langzeitmessungen machen den wissenschaftlichen Wert der AWI-Antarktisstation aus. So wurden seit dem Start von Neumayer I Anfang der 80-er Jahre unter anderem tausende Erdbeben mit weltweit verteilten Epizentren registriert. Und kontinuierliche Wetterbeobachtung ergab die weltweit umfassendste Datenreihe zum Zerfall der Ozonschicht.

Nicht mehr so gemütlich?

Jedenfalls für das tägliche Emporsenden von Wetterballons - mit Helium gefüllt und einem Messgerät versehen - müssen die Wissenschaftler in Neumayer III nicht mehr hinaus in die Kälte. Das betreffende Laboratorium ist in die neue Station integriert, die Ballons können komfortabel vom Dach aus gestartet werden. Für geophysikalische oder luftchemische Messungen dagegen bleiben zwei Kilometer durch Schnee und Eis zurückzulegen.

Wenn am Freitag Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) im fernen Berlin die Station mit einem Festakt einweiht, werden die neuen Labors noch nicht ganz fertig eingerichtet sein. "Das geht noch weiter bis in den März hinein", sagt Logistikchef Gernandt. Doch das Team vor Ort werde sicher zur Feier des Tages anstoßen - wenn der Abschied von Neumayer II auch manchen wehmütig stimmen mag: etwa die Meteorologin Julia Wittig aus dem letzten dortigen Überwinterungsteam, die es durchaus "gemütlich" fand "in 'unserer' Röhre tief unter dem Eis".

Quelle: ntv.de

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