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Solarenergie für Europa Strom aus Afrikas Wüsten

Es scheint, als habe Max Schön eine Lösung für die Energiesorgen Europas in der Tasche. "Eigentlich ist Energie reichlich vorhanden, wir müssen sie nur fischen", sagt der Präsident des deutschen Club of Rome. Erstaunliche Worte in Zeiten, in denen gerade erst der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine für kalte Heizungen in Südosteuropa sorgte und im restlichen Kontinent wieder einmal Besorgnis um eine sichere Energieversorgung hervorrief. Schön wirbt für die Vision, im großen Stil Solarstrom aus den Wüsten Nordafrikas und des Nahen Ostens nach Europa zu leiten.

Unabhängiger von russischem Gas

"Der weltweite Energieverbrauch eines ganzen Jahres kommt als Sonnenschein innerhalb von sechs Stunden in den Wüsten der Erde an", sagt Schön. Daher sei die Wüstensonne für die Zusammenstellung eines CO2-armen Energiemixes für Europa unverzichtbar. Die Idee: Die Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas erzeugen mittels solarthermischer Kraftwerke und Windparks sauberen Strom, der sie selbst versorgen und ab 2020 über Hochspannungsleitungen auch nach Europa exportiert werden soll. Dadurch soll Europas Energieverbrauch umweltfreundlicher und die Abhängigkeit von anderen Ressourcen wie etwa russischem Gas kleiner werden.

Diese Vision haben der Club of Rome, der Hamburger Klimaschutz-Fonds und das Jordanische Nationale Energieforschungszentrum zu einem Konzept namens Desertec entwickelt. Das Vorhaben basiert auf Studien des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU). Danach werden nur 0,3 Prozent der Wüstenfläche in der sogenannten Mena-Region (Middle East, North Africa) zum Bau solarthermischer Kraftwerke benötigt, um bis 2050 den dortigen Strombedarf vollkommen sowie zwischen zehn und 25 Prozent des europäischen Verbrauchs zu decken.

Hochspannungsleitungen von Nordafrika bis Nordeuropa

Der Transport der Energie über Hochspannungsleitungen von Nordafrika bis Nordeuropa wäre dem Konzept zufolge mit höchstens 15 Prozent Verlust möglich. Der grüne Strom soll Desertec zufolge außerdem zur Entsalzung von Meerwasser dienen und so die Trinkwasserversorgung der Mena-Länder verbessern. Die Initiatoren rechnen dort überdies mit Arbeitsplätzen, einer verbesserten Infrastruktur und infolgedessen mit einer politisch-wirtschaftlichen Stabilisierung der Region. Europa soll in den Genuss sinkender Strompreise kommen.

Warum ist Desertec dann nicht schon längst Wirklichkeit? "Die nötige Technologie ist einsetzbar", sagt Ralf Christmann, BMU-Experte für erneuerbare Energien. Sowohl die solarthermischen Kraftwerke als auch die Leitungen seien andernorts bereits im Einsatz. Knackpunkt des Projekts sind jedoch die Kosten. "Nach DLR-Szenario sind bis 2050 insgesamt rund 400 Milliarden Euro nötig", zitiert Christmann die Ergebnisse der DLR-Studien. Es sei unklar, wie und woher Summen dieser Größenordnung beschafft und refinanziert werden könnten.

Golfstaaten als mögliche Geldgeber

Als mögliche Geldgeber sieht Schön neben der EU auch die Golfstaaten. Als Unternehmer hofft er aber auch, dass Netzbetreiber und Energieunternehmen Desertec als mögliche Einnahmequelle entdecken und in die Kraftwerke und Leitungen investieren. Wolfgang Neldner ist bei dem Energieunternehmen Vattenfall für den Ausbau von Übertragungsnetzen zuständig und steht dem Projekt kritisch gegenüber. Auch er vermisst ein Finanzierungskonzept und erwartet, dass die Kosten nicht von der Wirtschaft getragen, sondern bei den Steuerzahlern hängen bleiben. Zudem hält er durchs Mittelmeer verlegte Stromkabel für störanfällig und somit für einen Risikofaktor für eine sichere Stromversorgung.

Schön weiß, dass der Weg bis zu einer Umsetzung der Idee noch weit ist und viel Überzeugungsarbeit auf die Initiatoren wartet. Außer dem Geld für Kraftwerke und Leitungen fehlen auch internationale Einspeisegesetze und politische Absprachen. "Aber so ist es immer, wenn neue Märkte entstehen", sagt Schön. "Dann muss jemand die Puzzlearbeit machen - und wir sind bereit, es zu tun."

Quelle: ntv.de, Jan Dörner, AFP

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