Volksentscheid zum Nichtraucherschutz Tabaklobby war großzügig
02.07.2010, 14:41 UhrMit einem Volksentscheid soll in Bayern darüber entschieden werden, wie weit der Nichtraucherschutz im Freistaat geht. Bisher waren zahlreiche Ausnahmen, wie Raucherclubs und abgetrennte Raucherräume sowie das Rauchen in Eckkneipen, durch einen Einschub im Gesetzestext möglich. Die Initiatoren des Volksentscheids wollen das ändern: Mit nur einer Stimme Mehrheit könnte der strengste Nichtraucherschutz in Deutschland in Kraft treten. Warum soviel Kampf nötig ist, erklärt Dr. Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungsinstitut.

Geschenke der Tabaklobby: Feuerzeuge für jeden zehnten Wahlberechtigten in Bayern.
(Foto: picture alliance / dpa)
n-tv.de: In Ihrer jüngsten Untersuchung haben Sie festgestellt, dass sich 74 Prozent der Bevölkerung für ein Rauchverbot aussprechen. Warum ist es trotzdem so schwer, ein striktes Rauchverbot deutschlandweit durchzusetzen?
Martina Pötschke-Langer: Der politsche Wille fehlte, schlicht und ergreifend, das Rauchverbot durchzusetzen. Daran ist ganz deutlich abzulesen, wie stark und mächtig die Tabaklobby in Deutschland ist. Sie verfügt über große finanzielle Mittel, die sie auch einsetzt. Ein aktuelles Beispiel ist das Vorgehen der Tabaklobby vor dem Volksentscheid in Bayern. Die Tabaklobby selbst hat zugegeben, 650.000 Euro in das kleine Land Bayern gepumpt zu haben. So wurden zum Beispiel mehr als 1.700.000 Feuerzeuge verteilt. Das bedeutet, jeder zehnte Wahlberechtigte hat ein Feuerzeug von der Tabaklobby geschenkt bekommen. Zudem wurde die Kampagne "Nein" finanziell von der Tabaklobby unterstützt.
Welche Unterstützung hat denn die Gegenseite?
Das Aktionsbüro Volksentscheid Nichtraucherschutz bezahlt seine Aktivitäten aus eigener Tasche und von Spenden. Hierbei handelt es sich jedoch um Spenden ausschließlich von Privatpersonen. Hier muss man ganz klar sagen, dass es auf dieser Ebene der Kampf David gegen Goliath ist.
Kneipensterben und Umsatzeinbußen sind die Schlagwörter, die oftmals von den Rauchbefürwortern angebracht werden. Was haben Sie dazu in Ihrer Studie herausgefunden?
Entgegen der Prognosen von Branchen- und Wirtschaftsvebänden zeigen sowohl deutsche als auch internationale Untersuchungen, dass weder drastische Umsatzeinbußen noch massive Arbeitsplatzverluste aufgetreten sind. Das ist eindeutig. Es ist so, dass nach Einführung des Rauchverbots tatsächlich kurzzeitig die Umsätze in der getränkegeprägten Gastronomie geringer ausfielen. Einige Zeit später haben sich diese jedoch wieder stabilisiert und folgen nun dem langfristigen Trend.
Apropos Trend: Ist Rauchen heute noch modern?
Nein. In den letzten Jahren konnten wir erfreulicherweise beobachten, dass immer weniger Menschen rauchen. Rauchen hat außerdem nicht mehr die soziale Akzeptanz wie in der Vergangenheit. Auch deutlich weniger Kinder und Jugendliche beginnen mit dem Rauchen. Hier haben wir große Erfolge zu verzeichnen. 2001 haben noch 28 Prozent der Kinder- und Jugendlichen mit dem Rauchen begonnen. 2009 waren es nur noch 15 Prozent. Das ist ein deutlicher Rückgang der Raucherquote, den wir auch bei jungen Erwachsenen feststellen konnten. Zudem lassen immer weniger Menschen zu, dass bei ihnen zu Hause geraucht wird. Der Trend geht ganz klar in Richtung gesunde, rauchfreie Lebensweise. Dieser Trend rettet Menschenleben. Wir wissen, dass jeder zweite Raucher an den Folgen des Rauchens stirbt und zwar wesentlich früher. Im Durchschnitt büßen Raucher zehn gute Lebensjahre ein. Dieser dramatische Effekt ist durch Nichtrauchen vermeidbar.
Zurzeit kann doch jeder selbst entscheiden, ob er in eine Raucherkneipe geht oder in ein Nichtraucherlokal. Warum brauchen wir also das strikte Nichtraucherschutzgesetz?
Ganz klar ist zu sagen, dass die Freiheit der Entscheidung durch die enorme Gesundheitsgefährdung durch das Passivrauchen begrenzt wird. Die Gesundheit ist ein so hohes Gut, dass es zu rechtfertigen ist, Einschränkungen im Berufsbereich der Gastwirte zuzulassen. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht in dem Grundsatzurteil von 2008 festgestellt. Es ist also verfassungsgemäß, ein umfassendes Rauchverbot auch für die Gastronomie auszusprechen, denn die Gesundheit der vielen Beschäftigten in der Gastronomie muss genauso geschützt werden, wie die Gesundheit von anderen, sonst werden Erstere zu Beschäftigten zweiter Klasse.
Was sagen Sie zum Rauchen in Fest- und Bierzelten?
Solche Einrichtungen werden ja auch von Familien und älteren Menschen besucht. Hier leiden besonders die Kinder unter dem Rauch. Auch ältere Menschen mit Vorerkrankungen haben oftmals keine Möglichkeit, verrauchte Festzelte zu betreten, ohne eine deutliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes in Kauf zu nehmen. Viele Menschen meiden aus diesen Gründen die verrauchten Einrichtungen. Das bedeutet, viele Menschengruppen werden durch Raucher einfach ausgegrenzt.
Trotz Nichtraucherschutzgesetzen der Bundesländer begegnen wir in der Praxis zahlreichen Ausnahmen.
Das ist richtig. Die Ausnahmen sind zur Methode geworden und haben so überhand genommen, dass sich der Nichtraucherschutz in Rauch aufgelöst hat. Vor allem in kleineren gastronomischen Betrieben wird nicht auf Nichtraucherschutz geachtet. Die Innenräume sind wahre Giftküchen. Solche Bedingungen sind für Gäste und für das Personal unzumutbar. Raucherclubs zum Beispiel sind nur Ausweicherfindungen, die möglich sind, weil der Gesetzgeber keine Rechtssicherheit geschaffen hat. Bei der Gesetzgebung wurden einfach viele handwerkliche Fehler gemacht.
Gibt es denn in anderen Ländern auch so viele Ungereimtheiten wie in Deutschland?
Ja, das spanische Modell ist das gescheiterte Modell. Leider ist Deutschland dem spanischen Modell gefolgt, mit ähnlichen Auswirkungen. Demgegenüber stehen die Nichtraucherschutzgesetze die klar und eindeutig sind, zum Beispiel in Italien, in Frankreich, in Irland und in den skandinavischen Ländern und in den baltischen Staaten. Ich wünsche mir, dass Deutschland diesen guten und funktionierenden Beispielen folgen wird.
Wenn der Volksentscheid in Bayern am 4. Juli 2010 erfolgreich für den Nichtraucherschutz ausgeht. Glauben Sie, dass auch in anderen Bundesländern neue Nichtraucherschutzgesetze auf den Weg gebracht werden?
Es ist relativ wahrscheinlich, dass dann andere Bundesländer, trotz des hohen politischen Aufwandes, folgen werden. Aus meiner Sicht ist es aber absurd, was sich in Deutschland gerade abspielt, denn in Sachen Nichtraucherschutz ist der Föderalismus nicht richtig interpretiert worden. Es ist möglich, mit einem einzigen Bundesgesetz Klarheit und landesweite Homogenität zu schaffen. So kann die Ausnahmeregelung in der Arbeitsstättenverordnung, die wegen der Gastronomie geschaffen wurde, ersatzlos gestrichen werden. Damit wäre der Weg frei für einen umfassenden Nichtraucherschutz in ganz Deutschland. Am besten wäre jedoch ein Bundesgesetz, das den Nichtraucherschutz in allen öffentlichen Bereichen umfassend regelt.
Mit Martina Pötschke-Langer sprach Jana Zeh
Quelle: ntv.de