Drehscheibe für Schmuggel Tierbestand in Nepal schrumpft
15.02.2010, 08:26 Uhr
Allein in den letzten eineinhalb Jahren wurden 24 Nashörner im Chitwan Nationalpark gejagt und getötet.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Eigentlich sollten die Tiere frei und geschützt im Chitwan Nationalpark in Nepal leben können. Doch durch politische Instabilität haben Jäger und Wilderer leichtes Spiel.
In seinen 20 Jahren als Wildhüter hat Narendra Man Babu Pradhan einiges erlebt. Wenn er aber an das Nashorn denkt, das er halbtot an einem See fand, läuft es ihm immer noch kalt über den Rücken: "Wir fanden das Rhinozeros mit einer Kugel im Kopf. Es war ein grauenhafter Anblick", sagt er. "Die Wilderer hatten das Horn abgeschnitten, ohne das Tier zu töten. Es muss große Schmerzen gelitten haben."
Pradhan ist Ranger im Chitwan National Park im Südwesten Nepals und damit an vorderster Front im Kampf gegen die Wilderei. Wegen seiner günstigen Lage zwischen dem Herkunftsland Indien und dem chinesischen Absatzmarkt entwickelt sich Nepal nach Einschätzung von Tierschützern zur Drehscheibe für den illegalen Handel von Tierteilen.
Leichtes Spiel für Jäger und Wilderer
Der Chitwan National Park am Fuße des Himalaya gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO und ist beliebtes Ziel von Safari-Touristen. Reiseführer hatten Pradhan über das verendende Tier informiert. Pradhan konnte das Nashorn nicht mehr retten, es starb zwei Wochen später. Sein Schicksal ist kein Einzelfall: In den vergangenen 18 Monaten hat allein der Chitwan Park 24 Nashörner verloren, 17 davon wurden von kriminellen Jägern getötet. In zwei Parks im Südwesten Nepals blieben von 65 Tigern 26 übrig. Zuvor lebten in den nepalesischen Nationalparks insgesamt 121 ausgewachsene Tiger.
Aufgrund der durchlässigen Grenzen, mangelnder Koordination der Länder in der Region und der politischen Instabilität in Nepal haben Jäger und Schmuggler leichtes Spiel. "Die Zahlen von verschwundenen Tigern und von beschlagnahmten Fellen, Knochen und Rhinozeros-Hörnern deuten auf eine Zunahme der Wilderei und des Schmuggels hin", sagt Shiva Raj Bhatta von der staatlichen Verwaltung der Nationalparks. "Unser Wildtierbestand ist gefährdet. Nepal entwickelt sich mit großem Tempo zu einer internationalen Drehscheibe für Tierschmuggel und wird zum Paradies für Wilderer."
Besser organisiert als Artenschützer
Nach Angaben von Weltbankpräsident Robert Zoellick wird das Volumen des Schmuggels mit Tierteilen in Asien auf mehr als sieben Milliarden Euro im Jahr geschätzt. Nur mit Waffen- und Drogenschmuggel wird demnach noch mehr Geld umgesetzt. In einer Videobotschaft anlässlich einer Tigerschutzkonferenz im Oktober betonte Zoellick, Händler und Wilderer seien bereits besser organisiert als politische Entscheidungsträger und Artenschützer.
Indischen Experten zufolge geht die Hauptroute für den Schmuggel über die indisch-nepalesische Grenze. Die Schmuggler profitieren dabei von der politischen Unsicherheit in dem Himalaya-Staat. Seit der von den Vereinten Nationen verhandelten Friedensvereinbarung, die 2006 den zehnjährigen Bürgerkrieg beendete, ist die Armee nicht mehr omnipräsent, was den Kriminellen das Geschäft leichter macht.
Dolchgriffe aus Nashörnern
Durch Nepal werden Körperteile von Tigern und Leoparden geschleust, Rhinozeros-Hörner, Otterhäute, lebende Vögel und Schildkröten. Mit Tigerfellen werden beispielsweise Möbel bespannt oder Räume ausgeschmückt, andere Körperteile finden in der traditionellen chinesischen Medizin und als Aphrodisiakum Verwendung. Auch Rhinozeros-Hörner gelten in China als potenzsteigernd, in arabischen Ländern sind sie wiederum als Dolchgriffe begehrt.
Das grausame Geschäft lohnt sich: Ein Tigerfell bringt nach Einschätzung von Beobachtern auf einem regionalen Markt umgerechnet bis zu 700 Euro - aber mehr als 7000 Euro, wenn es international angeboten wird. Mit einem einzigen Rhinozeros-Horn lassen sich auf dem internationalen Schwarzmarkt sogar fast 10.000 Euro verdienen.
Quelle: ntv.de, Deepesh Shrestha, AFP