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Impfstoff wächst in Zellkultur Toter Hund gegen Grippe

Ein toter Hund könnte in Zukunft viele Menschen vor Grippe bewahren. Aus der Niere eines Cockerspaniels haben US-Forscher vor rund 50 Jahren Zellen isoliert und anschließend vermehrt. In diesen Zellen lassen sich nun Grippeviren hervorragend züchten. Die Viren werden später zerstört und als Impfstoff eingesetzt. Dank des namenlosen Hundes ist es daher jetzt möglich, Grippe-Impfstoffe mit Hilfe von Zellkulturen zu produzieren. Bislang wurden die Viren umständlicher in Hühnereiern herangezüchtet. Für die 23 Millionen Impfstoffdosen, die das Paul-Ehrlich-Institut 2006 für Deutschland freigab, wurden nach Pharma-Angaben 18 Fußballfelder voller Eierpaletten verbraucht.

Am Dienstag soll Bundeskanzlerin Angela Merkel in Marburg nun ein grünes Lämpchen anschalten - Symbol für den Start der weltweit ersten Produktionsanlage für Grippeimpfstoffe in Zellkulturen. Für "Optaflu" will das Unternehmen Novartis Behring 150 neue Mitarbeiter einstellen, die 60 Millionen Euro teuere Produktionsanlage steht bereits. Für das exklusive Fotoshooting wurde eigens der Reinraum-Status aufgehoben, denn im Normalbetrieb darf niemand ohne Schutzkleidung ins Innere der vierstöckigen Anlage.

Technisch läuft der Prozess von oben nach unten. Im obersten Stockwerk wird das Nährmedium der Viren, eben jene Zellkultur, in drei Fermentern produziert. In der Etage darunter werden die Zellen mit den Viren angeimpft, noch eine Ebene tiefer wird das Virus inaktiviert, am Ende wird das Produkt gereinigt. Der Weg durch die Bottiche, Röhren, Zentrifugen und Messgeräte beginnt mit einem Milliliter Nährlösung, umfasst zwischenzeitlich mehrere tausend Liter Flüssigkeit und endet nach 30 Tagen mit zehn Litern reinem Impfsubstrat (Antigen). Es besteht aus einzelnen Virenteilen, die das Immunsystem zur Abwehr aktivieren, aber keine Grippe mehr auslösen.

Was die Produktion von Grippeimstoffen generell heikel macht, ist die Tatsache, "dass jedes Jahr neue Gäste in unserem Hotel wohnen", wie der Geschäftsführer Novartis Behring, Markus Leyck Dieken, erläutert. In jedem Jahr grassieren neue Virusstämme in der Welt, daher setzt sich der Impfstoff jährlich neu zusammen. "Der eine will eine Daunendecke und für den anderen muss man lüften und der dritte isst vielleicht nur Trennkost". Das Hotelzimmer angenehm zu gestalten und die Gäste zu mästen geht auch in Zellkulturen nicht zügiger voran als in Hühnereiern. "Das Virus wächst nicht schneller", sagt Leyck Dieken, "aber der Wirts-Organismus steht jederzeit zur Verfügung und die Vorbereitungszeit dürfte kürzer werden."

Das neue Herstellungsverfahren bringt vor allem Vorteile im Fall einer Pandemie, sagt Susanne Stöcker, Sprecherin des Paul-Ehrlich- Instituts, das für Zulassung und Kontrolle von Impfstoffen zuständig ist. "Würde zum Beispiel die Vogelgrippe auf den Menschen übergehen, hätten wir ein riesiges Problem, wenn das Virus vorher die Hühner umgebracht hätte. Damit fiele für die Impfstoffproduktion der Rohstoff weg." Aus Sicht von Novartis Behring hat das neue Verfahren noch weitere Vorteile. "Ein geschlossenes Rohrsystem ist weniger anfällig für Verunreinigungen als ein biologisches Produkt wie ein Ei", sagt Leyck Dieken. "Derzeit muss jedes Ei von Menschenhand angefasst werden und hat danach zu allem Überfluss auch noch ein Loch."

Wann die ersten Impfstoff-Chargen auf den Markt kommen, ist noch unklar. Die generelle Zulassung für das Verfahren hat Novartis im Juni erhalten, die saisonale Zulassung für die aktuellen Virusstämme steht noch aus. Novartis hofft aber, noch in diesem Jahr mit der Auslieferung zu beginnen.

Sandra Trauner, dpa

Quelle: ntv.de

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