Reiche Länder ohne Kinder Überalterung unausweichlich?
05.08.2009, 19:00 Uhr
Ist ein bestimmter ökonomischer Grad erreicht, verlangsamt sich die Überalterung wieder.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Es ist paradox: Den Menschen in Industrieländern geht es immer besser, aber die Geburtenrate sinkt. Dass mit zunehmendem Reichtum weniger Kinder geboren werden, ist ein weltweites Phänomen. Lassen sich die Bevölkerungszahlen halten?
Die Angst mancher Länder vor Überalterung oder gar dem Aussterben der eigenen Bevölkerung ist unbegründet, schreiben US-Forscher im Wissenschaftsmagazin "Nature". Werde ein bestimmter Grad ökonomischer Entwicklung erreicht, drehe sich der Trend nämlich um und die Geburtenrate steige wieder leicht an. In den USA und den Niederlanden sei dies bereits der Fall.
Familienfreundliche Politik gefragt
Die Wissenschaftler um Hans-Peter Kohler von der Universität Pennsylvania in Philadelphia analysierten für ihre Studie Daten von 1975 und 2005 aus 24 Ländern. Sie erfassten jeweils die Geburtenrate und den zwischen 0 und 1 liegenden "Human Development Index" (HDI), der Wirtschaftskraft, Lebenserwartung und Bildungsgrad der Menschen eines Landes berücksichtigt.
Mit steigenden HDI-Werten verzeichneten die Statistiken sinkende Geburtenraten, schreiben die Forscher. Bereits mehr als die Hälfte aller Menschen weltweit lebe in Regionen, in denen die Geburtenrate unterhalb des Wertes liege, der zum Erhalt der Bevölkerungszahlen nötig sei. In vielen hochentwickelten Ländern scheine der Trend zu immer weniger Kindern bereits unumkehrbar und eine fatale Überalterung unausweichlich.
Dieser Gesamteindruck trüge jedoch, betont Kohlers Team. Bei sehr hohen HDI-Werten nehme die Gebärfreudigkeit wieder zu, die Geburtenrate steige langsam, aber stetig. Der Verlauf habe etwa die Form eines gespiegelten "J", erläutern die Forscher. Nach einer Talsohle bei einem HDI von etwa 0,85 bis 0,9 gehe es wieder aufwärts mit der Fortpflanzung. Die hochentwickelten Industrieländer müssten also möglichst viel tun, um den Index ihrer Bevölkerung weiter anzuheben - also in Bildung, Gesundheit und Arbeitsplätze zu investieren. Voraussetzung sei zudem eine familienfreundliche Politik, die auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau achte.
Einwanderung gegen Überalterung
Trotz der hoffnungsvoll stimmenden Analyse sei aber auch bei weiter steigenden HDI-Werten für die meisten Staaten nicht zu erwarten, dass die Geburtenrate über den für stagnierende Bevölkerungszahlen nötigen Wert steigt. In einigen Ländern verlangsame sich die Überalterung möglicherweise auch nur. Dem könne lediglich eine verstärkte Einwanderung entgegenwirken.
Der "Human Development Index" für Deutschland lag dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zufolge 2006 bei 0,940. Mehr als 20 Industrieländer wie Island, Norwegen, Australien und Kanada rangierten mit ihren Werten teils weit davor.
Quelle: ntv.de, dpa