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Greenpeace zur Gentechnik "Unvorhersehbar und gefährlich"

Aus Sicht von Greenpeace bringt Gentechnik "Gefahren für unsere Gesundheit und Umwelt". Welche Gefahren sind dies? Fragen an Ulrike Brendel, Gentechnik-Expertin bei der Umweltschutzorganisation.

n-tv.de: Greenpeace nennt Gentechnik eine "Risikotechnologie". Welche Risiken bestehen bei der Auspflanzung von gentechnisch veränderten Pflanzen?

Ulrike Brendel: Schon der Prozess der Genmanipulation ist nicht vorhersehbar. Ein Gen hat nicht nur eine Wirkung, man kann daher nicht einfach ein Gen in eine neue Pflanze hineinmanipulieren, um eine konkrete Wirkung zu erzielen. Genmanipulationen laufen nach dem "Schrotschussverfahren". Niemand kann vorhersagen, welche Auswirkungen das jeweilige Gen in dem neuen Organismus hervorruft und welche Auswirkungen das dann wiederum auf die Umwelt oder die Gesundheit hat.

Gentechnik-Befürworter argumentieren, Gen-Pflanzen machen Pestizide überflüssig.

Es gibt viele Versprechen der Industrie. Gerade bei Pestiziden haben wir das genaue Gegenteil erlebt. In Argentinien und in den USA wird in großen Mengen genmanipulierte Soja angebaut, die gegen ein bestimmtes Spritzmittel immun ist. Wenn dieses Spritzmittel - das nennt sich "Round Up" - auf dem Acker ausgebracht wird, überlebt nur die Round-Up-Ready-Pflanze. Inzwischen gibt es aber Unkräuter, die gegen dieses Pestizid immun sind, weswegen andere Pestizide eingesetzt werden. Hier entsteht ein Teufelskreis, der dazu führt, dass immer mehr und immer giftigere Pestizide ausgebracht werden.

Wo sehen Sie die Risiken von Gen-Pflanzen für den Verbraucher?

Das Problem ist, dass die gesundheitlichen Auswirkungen bisher nicht ausreichend erforscht wurden. Es gibt weder Langzeit- noch mittelfristige Studien. Es gibt jedoch einige Fütterungsversuche, zum Beispiel mit einer Gen-Erbse. Feldmäuse bekamen nach dem Verzehr dieser Gen-Erbse Lungenentzündungen. Bei Tierversuchen mit einem genmanipulierten Mais von Monsanto, Mon 863, entstanden bei Ratten Schäden an Organen wie Leber und Nieren. Es gibt also klare Indizien, dass Gen-Pflanzen Gefahren für Tiere und Menschen bergen. Bei der Umwelt ist es inzwischen erforscht. Selbst Landwirtschaftsminister Horst Seehofer sieht berechtigten Grund zu der Annahme, dass der in Deutschland angebaute Gen-Mais Mon 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt.

In welcher Hinsicht?

Dieser Gen-Mais produziert ein Gift, das auf den Maiszünzler tödlich wirkt. Untersuchungen haben ergeben, dass dieses Gift auch auf Nicht-Zielorganismen wie zum Beispiel gefährdete Schmetterlingsarten, Honigbienen oder Regenwürmer negative Auswirkungen haben kann.

Es heißt immer wieder, Gen-Pflanzen könnten Allergien auslösen.

Das ist ebenfalls nicht endgültig erforscht. Es ist aber möglich, da manche Gen-Pflanzen neue Proteine bilden, die Allergien auslösen können.

In Kanada mussten Öko-Bauern angeblich den Anbau von Bio-Raps einstellen, weil sich der Gen-Raps landesweit ausgebreitet hat. Stimmt das?

Allgemein sagt man, in Kanada kann kein konventioneller Raps mehr erzeugt werden, weil die Ernte durch ungewollte Ausbreitung von Gen-Raps verunreinigt wird. Deswegen klagen Bio-Bauern jetzt gegen Bayer und Monsanto.

Wie groß ist das Risiko, dass Gen-Pflanzen auf benachbarte Felder gelangen können?

Das hängt von der Pflanze ab. Raps ist in Mitteleuropa heimisch, sein Pollen fliegt über Kilometer - hier wäre die Auskreuzungsgefahr sehr hoch. Bei der Kartoffel ist das anders. Es besteht aber natürlich die Möglichkeit, dass die Kartoffel in die Lebensmittelproduktion gelangt. Mais-Pollen breitet sich über mehrere hundert Meter aus, er wird ja auch von Bienen eingesammelt. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass man ihn selbst bei Abständen von 300 Metern noch in benachbarten Feldern finden kann.

Sie plädieren also für einen Mindestabstand von mehr als 300 Metern?

Nein, nein, wir fordern, Gen-Pflanzen überhaupt nicht anzubauen. Innerhalb der bestehenden Regeln fordern wir einen Mindestabstand von mindestens einem Kilometer.

Gentechnik-Befürworter argumentieren, Gen-Pflanzen könnten den Hunger in der Welt besiegen.

Das ist ein Argument, das Ende der neunziger Jahre vielfach von der Gentechnik-Industrie vorgebracht wurde. Inzwischen wird das immer seltener behauptet, da sich insbesondere die afrikanischen Staaten dagegen verwahren, als Maskottchen der Gentechnik-Industrie gebraucht zu werden. Klar ist: Hunger hat vielfältige Ursachen - Kriege, Armut, fehlender Zugang zu Wasser oder zu Saatgut. In der Regel liegt es nicht an zu geringen Erträgen. Wir produzieren weltweit genügend Nahrungsmittel, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Die Gen-Pflanzen, die momentan auf dem Markt sind, sind zudem klar für die industrielle Landwirtschaft gedacht. Das sind hochempfindliche Pflanzen, die auf chemische Düngemittel und chemische Pestizide angewiesen sind. Für die Bedingungen in der Dritten Welt sind diese Pflanzen überhaupt nicht geeignet.

Was ist der wirtschaftliche Nutzen?

Für die Gentechnik-Industrie sind Gen-Pflanzen neue Ertragsquellen. Genmanipulierte Pflanzen sind in der Regel patentiert. Hier haben die Firmen das exklusive Nutzungsrecht und damit auch die Kontrolle über das Saatgut. Um zum Beispiel der Round-Up-Ready-Pflanzen zurückzukommen: Da wird eine Pflanze hergestellt, die immun gegen ein Pflanzenschutzmittel ist, das von der gleichen Firma hergestellt wird.

Welche Arten Gen-Pflanzen gibt es bereits in Deutschland?

Bislang hat sich die Gentechnik in Europa noch nicht wirklich durchgesetzt, in Deutschland darf bisher nur ein Gen-Mais angebaut werden, Mon 810 des US-Agrarkonzerns Monsanto. Demnächst kommt wahrscheinlich auch die Gen-Kartoffel "Amflora" dazu, die ihre Zulassung aber vermutlich auch nur erhalten hat, weil sie nicht als Lebensmittel, sondern als industrielles Produkt angebaut werden soll. Andere Gen-Pflanzen sind allerdings für den Import zugelassen, zum Beispiel Raps, Soja und andere Mais-Arten, die in Lebensmitteln und Futtermitteln verarbeitet werden dürfen.

Wie schätzen Sie die Akzeptanz von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland ein?

Die Ablehnung ist über die vergangenen Jahre durchweg hoch geblieben: Ungefähr 75 bis 80 Prozent der Verbraucher wollen kein Gen-Food. Deshalb gelangt der Großteil der importierten Gen-Pflanzen auch nicht direkt in die Lebensmittel, sondern in Futtermittel, wo es vom Verbraucher bislang leider nicht nachvollzogen werden kann.

Mit Ulrike Brendel sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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