Untersuchung mit Stromschlägen Ursachen von Angststörungen entdeckt
03.09.2015, 20:43 Uhr
Angst ist ein Grundgefühl des Menschen.
(Foto: imago/Westend61)
Angst ist ein Grundgefühl des Menschen. Sie hat eine wichtige Schutzfunktion. Doch was, wenn die Angst nicht mehr weichen will? Dann haben bestimmte Genvariationen eine tragende Rolle, stellen Forscher fest.
Ob Krimi oder Geisterbahn: Sich ein bisschen zu fürchten, ist für manche ein angenehmer Kick. Für Menschen mit Angststörungen dagegen ist die immer wiederkehrende Angst ein echter Verlust an Lebensqualität. Um den Ursachen von Angststörungen auf den Grund zu kommen, nehmen Forscher der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald bestimmte Gene unter die Lupe und werden fündig.
Das Team um die Psychologin Julia Wendt fand heraus, dass die unterschiedliche Verarbeitung von traumatischen Situationen, die mit Angst verknüpft werden, bereits durch minimale Genvariationen bedingt ist. Vor allem die Genregion (5-HTTLPR), die den Abbau von Serotonin mitbestimmt, und eine zweite Genregion (COMT Val158Met), relevant für den Abbau von Noradrenalin und Dopamin, scheinen für Angstverarbeitung eine Rolle zu spielen.
Gefahren- und Sicherheitssignale erlernt
Für ihre Untersuchung führten die Forscher ein klassisches Furcht-Konditionierungsexperiment mit insgesamt 114 Probanden durch. Dieses war in vier Phasen unterteilt. In der ersten Phase beobachteten die Studienteilnehmer verschiedene Figurenabfolgen. Auf eine bestimmte Figurenkombination, zum Beispiel Trapez und Stern, folgte immer ein Stromschlag. Dieser ist zwar für die Probanden nicht schmerzhaft, aber dennoch unangenehm.
Da andere Figurenkombinationen nicht mit Stromschlägen verbunden wurden, lernten die Probanden, einerseits das Gefahren- und andererseits das Sicherheitssignal zu erkennen. In einer darauffolgenden Testphase bekamen die Probanden beide Signalarten zu sehen, jedoch ohne Stromschlag. Danach folgten eine weitere Lernphase mit den gleichen geometrischen Figuren und Stromschlag sowie eine weitere Testphase ohne Stromschlag.
In den Testphasen untersuchten die Psychologen das Ausmaß der Schreckreaktionen der Probanden. Dafür ermittelten sie die Stärke des Lidschlusses, die eine wichtige Komponente des Schreckreflexes ist. Vor der Untersuchung hatten die Wissenschaftler die sogenannten Allel-Ausprägungen, also die Zustandsformen der Gene, in den vorher ausgemachten Genregionen bestimmt.
Wann erlernte Furcht länger anhält
Alle Probanden zeigten in der ersten Testphase eine stärkere Schreckreaktion beim Gefahrensignal als beim Sicherheitssignal. Während der zweiten Lernphase offenbarten sich allerdings Unterschiede: Genträger mit einem sogenannten kurzem 5-HTTLPR Allel zeigten eine stärkere Schreckreaktion als die Genträger des langen Allels. Die Autoren werten das als einen Hinweis darauf, dass bei Trägern der kurzen Genvariante die Furchtreaktion besonders stabil erlernt wurde.
Während der gleichzeitigen Präsentation des Gefahren- und des Sicherheitssignals zeigten die Träger des sogenannten COMT Val-Allels eine deutlich geringere Schreckreaktion, sie profitierten also von dem Sicherheitssignal. COMT Met-Allel-Träger hingegen zeigten eine gleichbleibend hohe Schreckreaktion. Die Autoren vermuten, dass diese Genträger das Sicherheitssignal nicht dazu benutzen können, um ihre Furcht zu verringern.
Die Auswertungen der Ergebnisse zeigen, dass die Schreckreaktion bei Probanden mit einer Genkombination aus COMT Val-Allel und kurzem 5-HTTLPR Allel schwächer war, wenn ein Sicherheitssignal vorhanden war. Personen mit der Genkombination des homozygoten COMT Met-Allels und kurzem 5-HTTLPR Allel zeigten trotz vorhandenem Sicherheitssignal keine Fruchthemmung und außerdem eine insgesamt stärkere Schreckreaktion.
"Unsere Ergebnisse passen zum Befund, dass diese Allel-Ausprägungen bei Menschen mit Posttraumatischer Belastungsstörung gehäuft vorkommen. Während der Einfluss eines einzelnen genetischen Faktors als eher gering einzuschätzen ist, könnte die Kombination dieser Ausprägungen auf beiden Genen ein besonders erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Angststörung darstellen", fasst Wendt zusammen.
Quelle: ntv.de, jaz