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Experten sind sich einig Vogelwaschungen sind zwecklos

Die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko tötet tausende Tiere qualvoll. Die Hilfsaktionen von Tierschützern, ölverklebte Vögel einzusammeln und mit Wasser und Seife von den Ölverkrustungen zu befreien ist eher Tierqualerei als tatsächliche Hilfe.

Der Pelikan landet auf einem Pfahl vor einer Erdgasförderanlage in der Bucht von Mobile, Alabama.

Der Pelikan landet auf einem Pfahl vor einer Erdgasförderanlage in der Bucht von Mobile, Alabama.

(Foto: AP)

Die Bilder werden sich gleichen: Wie nach der Havarie des Öltankers "Exxon Valdez" 1989 vor Alaska werden nun nach dem Untergang der Bohrinsel "Deep Water Horizon" im Golf von Mexiko wieder Tierschützer in weißen Overalls ölverschmierte Vögel einsammeln und versuchen, ihr Gefieder mit viel Wasser und Seife von der klebrigen Masse zu befreien. Für manche Naturschützer grenzen diese Hilfsaktionen jedoch eher an Tierquälerei. "Die mittelfristige Überlebensrate verölter Vögel liegt seriösen Studien zufolge bei unter einem Prozent. Wir lehnen solche Vogelwaschungen deshalb ab", sagt die Biologin Silvia Gaus von der Schutzstation Wattenmeer in Husum.

Gaus spricht aus 20-jähriger Erfahrung. Sie erlebte die Havarie des Holzfrachters "Pallas" 1998 vor Amrum. Die 90 Tonnen gebunkertes Öl, die das Schiff damals verlor, drifteten in ein Vogelschutzgebiet und töteten etwa 13.000 Seevögel: Sie ertranken, erfroren oder verendeten an Stress. Und sie starben an Vergiftungen, verursacht vom ihrem Putztrieb. Einmal in einer Öllache gelandet, versuchen die Vögel sofort, das klebrige Rohöl mit Schnabel und Zunge aus ihrem Gefieder zu entfernen - und schlucken dabei die giftige Masse.

Sauberkeit vor Fresstrieb

Zum Tode verurteilt: ein ölverklebter Seevogel, nach der Ölpest, das die "Exxon Valdez" 19989 verursachte.

Zum Tode verurteilt: ein ölverklebter Seevogel, nach der Ölpest, das die "Exxon Valdez" 19989 verursachte.

(Foto: picture alliance / dpa)

Selbst der widerliche Geschmack und stechende Geruch hält die Vogel nicht von den Bemühungen ab, sich zu säubern. Der Grund: Ohne intaktes Gefieder überleben sie nicht, denn nur flauschige Federn speichern die Körperwärme und sind wasserabstoßend. Die Vögel scheinen das zu wissen: "Ihr Putztrieb ist größer als der Fresstrieb, und so lange die Federn schmutzig sind, fressen sie nicht", sagt Gaus.

Ölverschmierte Vögel einzufangen, um sie beim Putzen mit viel Seife und Wasser zu unterstützen, bereitet den Tieren allerdings oftmals derart großen Stress, dass sie an einem Herzschlag sterben können. Zudem kann die giftige Wirkung des geschluckten Öls meist nicht mehr mit Zwangsgaben von Aktivkohle gemindert werden, sagt Gaus. Viele Vögel krepierten deshalb an den Spätfolgen mit schweren Nieren- und Leberschäden.

Sterbehilfe leisten

Die Biologin hat insoweit zwar Verständnis für das Bemühen von Tierschützern, die sich verpflichtet fühlten, aus ethischen Gründen alles zur Rettung auch eines einzelnen Vogels zu tun. Doch besser wäre es, ölverschmierte Tiere in Ruhe sterben zu lassen, oder sie "kurz und schmerzlos" zu töten, sagt sie.

Tierschützer versuchen diesen Seevogel zu retten.

Tierschützer versuchen diesen Seevogel zu retten.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Jörn Ehlers, Sprecher der Umweltschutzorganisation WWF, stimmt dieser pessimistischen Einschätzung zu. "Vögel, die so ölverschmiert sind, dass man sie fangen kann, kann man bereits nicht mehr helfen", sagt er und erinnert an die Havarie der "Prestige" 2002 vor Spanien.

Damals liefen 64.000 Tonnen Schweröl aus, töteten 250.000 Seevögel und verpesteten mehrere tausend Kilometer der französischen und spanischen Küste. Tausende ölverschmierte Möwen, Papageientaucher und andere Seevögel wurden damals zur Reinigung in eine eigens eingerichtete Rettungsstelle ins spanische La Coruña gebracht. Doch nur 600 von ihnen überlebten die Waschvorgänge und konnten freigelassen werden. Die meisten davon starben vermutlich innerhalb weniger Tage: Einer britischen Studie zufolge liegt die mittlere Überlebensdauer gereinigter Vögel bei nur sieben Tagen. "Der WWF ist deshalb sehr zurückhaltend gegenüber solchen Säuberungsaktionen", sagt Ehlers.

Quelle: ntv.de, Jürgen Oeder, AFP

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